© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
Tod auf Verlangen
Lothar Groppe S.J.

Das am 10. April vom niederländischen Parlament verabschiedete Gesetz zur "Überprüfung bei Lebensbeendigung auf Verlangen und bei der Hilfe der Selbsttötung" bezeichneten manche Kommentatoren als "Dammbruch". Doch dieser hatte bereits stattgefunden, als die Niederlande zum "Abtreibungsparadies" pervertierten. Um im Bild zu bleiben: Man hat den Damm ein weiteres Mal auf breiter Front durchstochen und damit das gesamte Rechtssystem nachhaltig erschüttert.

Zu Recht bezeichnete die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin aktive Sterbehilfe als "Euthanasie". Sie wurde bereits 1920, also vor der Machtübernahme der Nazis, durch die Professoren Binding und Hoche mit ihrem Buch "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" vorbereitet. In ihm forderten sie die Tötung "leerer Menschenhülsen" und "Ballastexistenzen".

Wenn die katholische Kirche sich mit Nachdruck für die Achtung des menschlichen Lebens vom Beginn der Empfängnis bis zum natürlichen Tod einsetzt, handelt es sich nicht um eine spezifisch christliche Vorstellung, die für Nichtchristen unverbindlich wäre, sondern um die Bewahrung menschlicher Grundwerte, die ein geordnetes Leben erst ermöglichen. So ließ der heidnische Arzt Hippokrates (460–377 v. Chr.) seine Jünger schwören: "Ich werde keiner Frau ein Mittel zur Vernichtung keimenden Lebens geben" und "Ich werde auch niemandem eine Arznei geben, die den Tod herbeiführt, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, auch nie einen Rat in dieser Richtung erteilen."

Der Mensch wird zur Verfügungsmasse, wenn sich der Gesetzgeber zum Herrn über Leben und Tod aufschwingt. Das neue niederländische Gesetz bricht mit einer jahrhundertealten Kultur- und Rechtstradition und untergräbt die Werteordnung einer humanen Gesellschaft. Man kann sich nicht über Hakenkreuzschmierereien ereifern und tatenlos zusehen, wie der Ungeist der Hitler, Stalin und Pol Pot wiederbelebt wird.

Hierzulande ist wohl nicht allgemein bekannt, daß die Verfechter der aktiven Sterbehilfe den Ausbau der Palliativmedizin ganz bewußt vernachlässigt haben, die den Patienten, für den es nach ärztlichem Urteil keine Heilung mehr gibt, vor unerträglichen Schmerzen zu bewahren vermag und ihm, bei liebevoller Zuwendung, ein Sterben in Würde ermöglicht.

Es geht nicht darum, Leben künstlich zu verlängern, sondern darum, dem Sterbenden zu helfen, seinen eigenen Tod sterben zu können: um eine Lebenshilfe für Sterbende, wie sie etwa in christlichen Hospizen gewährt wird.


 
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