© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
Der Weg zur Macht
Die taktische "Enschuldigung" der PDS für die SED-Zwangsvereinigung
Helmut Bärwald

Für die Praktizierung und Durchsetzung der von ihm entwickelten Bündnispolitik kommunistischer/sozialistischer Parteien und Organisationen zur Gewinnung von Bündnispartnern und zur Entwicklung von Aktionseinheiten und Einheitsfronten lieferte Lenin die "Gebrauchsanweisung". 1920 schrieb er über den Weg zu einer auf Erfolge zielenden Bündnispolitik, man müsse zu "jedwedem Opfer entschlossen sein und sogar, wenn es sein muß, alle möglichen Schliche, Listen und illegalen Methoden anwenden".

Diese Anweisung Lenins wurde von der KPD in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) bei ihrer Gründung befolgt. In ihrem Gründungsaufruf vom 11. Juni 1945 flunkerten die Kommunisten, "versprachen" sie die "Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk". Das war knapp zehn Monate vor Gründung der SED und am Beginn eines radikalen Bolschewisierungsprozesses in Mitteldeutschland, der im Oktober 1949 zur Gründung der DDR führte.

Viele Menschen in der SBZ ließen sich von diesen und anderen "Angeboten" der Kommunisten blenden. Auch viele Mitglieder der SPD, die auf die Ehrlichkeit und die Solidarität der kommunistischen "Genossen" vertrauten und zur Vereinigung ihrer Partei in der SBZ (mit zirka 680.000 Mitgliedern) mit der KPD in der SBZ (zirka 620.000 Mitglieder) bereit waren. Zwang und Verfolgung richtete sich gegen die "uneinsichtigen" nicht vereinigungswilligen Sozialdemokraten. Vielfältiger Zwang wurde ausgeübt durch die sowjetische Besatzungsmacht, durch deutsche Kommunisten und durch Funktionäre der SPD. Einer der Vorsitzenden des Zentralausschusses der SPD in der SBZ, Max Fechner (später im SED-Staat zeitweilig Justizminister), drohte den "unbelehrbaren" Sozialdemokraten: "Denen aber, die als Unbelehrbare den Bruderkampf verewigen wollen, werden wir in sachlicher Kampfesweise die Fadenscheinigkeit ihres kleinbürgerlichen Neusozialismus nachweisen und ihre politische Einflußmöglichkeit dadurch bis zur Bedeutungslosigkeit herabmindern. In der frischen Luft des Kampfes um die sozialistische Erneuerung Deutschlands wird die deutsche Arbeiterklasse diesen lebensgefährlichen Bazillus abtöten." Mindestens 5.000 Sozialdemokraten wurden wegen ihres Widerstandes gegen die Vereinigung ihrer Partei mit der KPD zur SED oder wegen ihres Widerstandes gegen die und in der SED bis 1949 durch sowjetische Militärtribunale zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Etwa 400 von ihnen starben in sowjetischen Zwangsarbeitslagern.

55 Jahre nach der für die deutsche Nachkriegsgeschichte unheilvollen Gründung der SED und ein halbes Jahrhundert nach Etablierung des 40 Jahre existierenden SED-Unrechtsstaates kommen erneut bündnispolitische Listen ins Spiel.

Die SED-Nachfolgerin, die PDS, will in ganz Deutschland koalitionsfähiger werden. Da bot sich der 55. Jahrestag der SPD/KPD-Vereinigung in der SBZ zu einem bündnispolitischen Vorstoß an. Die PDS-Vorsitzende Gabriele Zimmer und ihre Stellvertreterin Petra Pau, Landesvorsitzende der Berliner PDS, veröffentlichten eine im Vorstand weder besprochene noch beschlossene Erklärung. Darin wird eingestanden, daß "viele, die sich damals dem Zusammenschluß von KPD und SPD verweigerten, das mit ihrer Freiheit, ihrer Gesundheit, nicht wenige mit dem Leben (bezahlten)". Die Erklärung der beiden PDS-Genossinnen ist eine mehr indirekte "Entschuldigung" sozusagen als "Ergänzung" einer "Entschuldigung beim Volk der DDR", die der Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 dafür ausgesprochen hatte, "daß die ehemalige Führung der SED unser Land in eine existenzgefährdende Krise geführt hat".

Äußerungen des PDS-Chefs in Mecklenburg-Vorpommern und stellvertretende Ministerpräsidenten, Helmut Holter, lassen den bündnispolitischen Charakter sowohl dieser Erklärung als auch der geplanten "Entschuldigung" von PDS-Funktionären für den Bau der Berliner Mauer deutlich werden. Der in Bündnisfragen erfahrene PDS-Mann erklärte, die PDS müsse für weitere Bündnisse "Vorleistungen erbringen".

Funktionäre der SPD zeigten sich sowohl mit der Erklärung der PDS-Spitzengenossinnen als auch mit der angekündigten Erklärung zum Bau der Berliner Mauer durchaus zufrieden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Edelbert Richter begrüßte die Erklärung von Zimmer und Pau, weil "sie den Weg freimacht, daß sich die Linke in Deutschland gemeinsam auf die Fragen der Gegenwart und Zukunft" konzentrieren kann.

Der fortschreitenden Annäherung von SPD und PDS über die rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern, die Duldung einer SPD-Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt durch die PDS und Aktionsbündnisse in außerparlamentarischen Bewegungen hinaus scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Nennenswerten Widerstand gegen diese Kooperationen und Koalitionen von SPD und PDS wird es innerhalb der SPD kaum geben. Schließlich hatte Gerhard Schröder schon 1998 Appelle aus seiner Partei zu einem förmlichen Abgrenzungsbeschluß gegenüber der SED-Nachfolgerin als "dreiste Forderung" zurückgewiesen.

 

Helmut Bärwald, freier Publizist, war von 1966-1971 Leiter des Bonner Ost-Büros der SPD


 
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