© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
Auf nach Zürich!
von Richard Stoltz

Die "Aussteigernummer für Neonazis", die der Verfassungsschutz in Köln eingerichtet hat (Tel. 02 21 / 7 92 62), ist eine Albernheit im Quadrat. Angeblich kriegen dort Skinheads Arbeitsplätze und Wohnungen vermittelt, aber wer anruft, bekommt es nur mit der Polizei zu tun. Er soll genaue Auskunft über persönliche Lebensdaten geben, soll seine Freundeskreise beschreiben, soll Namen nennen, Adressen. Im Stile der sizilianischen Mafia gesprochen: Er soll das Gesetz der "Omertà" brechen. Die Kerle am anderen Leitungsende haben offenbar zu viele schlechte Krimis gesehen. Ganz en passant machen sie dem Anrufer bewußt, was für miserable Zustände im Lande herrschen. "Wir vom Verfassungsschutz", so lernt man, "sind die wahren Herren des Landes, nicht die Hausbesitzer und nicht die Firmen, die über Wohnungen und Arbeitsplätze verfügen. Nur politisch einwandfreie Typen bekommen hierzulande Wohnung und Arbeitsplatz. Das mach’ Dir mal schnell klar, mein Bürschchen, und nun pack aus! Wer sind Deine Kumpels? Bei wem kaufst Du Deine Musik-Kassetten?"

Lustiger als unter 02 21 / 7 92 62 geht es bei Regisseur Schlingensief zu, der ebenfalls etwas für die Neonazis tun will. Wer sich bei ihm im Internet ( www.naziline.com ) meldet, darf in seiner Hamlet-Inszenierung demnächst in Zürich mitspielen, als Komparse auf dem "Theater im Theater". Das ist zwar nur ein sehr kurzfristiger Arbeitsplatz, aber dafür braucht man keine persönlichen Angaben zu machen. Nicht mal für Hamlet muß man sich interessieren. Vergeßt Köln! Auf nach Zürich!
 
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