© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/01 20. April 2001

 
Vergebliche Verhinderungsversuch
Marburg: Deutsche Burschenschaft berät über wirtschaftliche Zukunft / Streit um Nationalhymne
Philip Plickert

Begleitet von Gegendemonstrationen und beschützt durch ein starkes Polizeiaufgebot hielt am vorletzten Wochenende in Marburg die Deutsche Burschenschaft (DB) einen außerordentlichen Burschentag mit rund 400 Teilnehmern ab. In nichtöffentlichen Sitzungen verhandelten Vertreter von hundert Burschenschaften aus der Bundesrepublik Deutschland und Österreich über Konzepte zur wirtschaftlichen Sanierung des Dachverbandes. Insbesondere wurden die Probleme des DB-eigenen Hotels Berghof in Eisenach diskutiert. Nach der Wiedervereinigung hatte das Land Thüringen im März 1991 das Haus samt zugehörigem Grundstück sowie auch das historische Burschenschaftsdenkmal an die DB, den früheren Eigentümer, zurückgegeben. Die Kosten einer aufwendigen Renovierung wurden zwar teilweise durch Subventionen finanziert, dennoch brachte das Hotel erhebliche Belastungen für die DB. Nahezu einstimmig wurde in Marburg ein Sanierungskonzept beschlossen, welches nun den Fortbestand des burschenschaftlichen Hotelbetriebes garantieren soll. Die Vorsitzende der DB, die Marburger Burschenschaft Rheinfranken, zeigte sich erfreut über den konstruktiven Verlauf des Burschentages.

Vor der Marburger Stadthalle wüteten zum Teil vermummte Demonstranten aus dem linksextremen Spektrum. Zu mehreren Festnahmen kam es, als gewalttätige Störer die Halle stürmen wollten. Davon war in der Berichterstattung der Presse kaum die Rede, eher schrieb man, die Demonstranten hätten sich durch laut bellende und bissige Polizeihunde bedroht gefühlt. Statt des gewohnten "Nazis raus" brüllte der Demonstrantenchor zeitweilig ein erfrischendes neues "Hunde weg". Die DB hatte sich mit Marburg auf ein heißes Pflaster gewagt. Bei den jüngsten Kommunalwahlen erhielt die PDS dort fast 7 Prozent der Stimmen, mehr als das zwanzigfache des Landesdurchschnitts. Auch nennt die alte Universitätsstadt eine äußerst aggressive Antifa-Szene ihr eigen.

Für die Lokalpresse war der Burschentag ein gefundenes Fressen. Marburgs Oberbürgermeister Dietrich Möller (CDU) wurde für sein kurzes Grußwort an die Verbindungsstudenten scharf kritisiert. Sein Stellvertreter Egon Vaupel von der SPD demonstrierte mit etwa 300 Personen eines "Bündnis gegen Rechts". Im Vorfeld hatte Vaupel das Burschenschaftertreffen zu verhindern versucht, indem er seine Unterschrift unter den Mietvertrag für die Stadthalle verweigerte. Der rot-grüne Magistrat wollte einen "besonders weitreichenden Ermessensspielraum" bei "rechtslastigen Gruppierungen" geltend machen. Die Vorsitzende Burschenschaft erwirkte per Eilantrag beim Verwaltungsgericht Gießen eine einstweilige Anordnung. Eine Beschwerde des rot-grünen Magistrats wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel mit Hinweis auf Art. 3 und 21 des Grundgesetzes zurück. Beide Gerichte stellten fest, daß dem Deutschen Burschenschaft als ortsansässigem, gemeinnützig anerkannten Verein der Zugang zu einer städtischen Einrichtung nicht verwehrt werden dürfe. In einer Pressemitteilung kritisierte der Sprecher der Vorsitzenden Burschenschaft, Marc Natusch, die Geisteshaltung des rot-grünen Magistrats sei "bedenklich". Es sei in einem demokratischen Rechtsstaat nicht akzeptabel, wenn Andersdenkenden das Versammlungsrecht streitig gemacht werde.

Auch eine Woche nach dem Ende des Burschentages hatten sich von Marburg die Gemüter noch nicht beruhigt. Oberbürgermeister Möller wurde vom hessischen Fernsehen zu seiner Haltung zum Deutschlandlied befragt, welches die Burschenschaft in voller Länge zu singen pflegen. Er äußerte, die Nationalhymne sei, "noch nicht verboten, jedenfalls ist mir das nicht bekannt". Er fügte – leider unzutreffend – hinzu, alle drei Strophen gelten als Nationalhymne (siehe dazu nebenstehenden Artikel). Voll Empörung forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund den Rücktritt Möllers, sein Stellvertreter Vaupel bat ihn, diese Äußerungen zurückzunehmen, "um Schaden von der Stadt abzuwenden". Marburgs Grüne wollen eine Sondersitzung des Stadtrates für Ende April beantragen. Möller verteidigte sich, er habe nichts zurückzunehmen. Für angeblich rechte Tendenzen innerhalb der DB "fehlen Beweise". Linke Politiker und die Presse hätten die Stimmung gegen den Burschentag angeheizt und mitt unnötigen Prozessen Steuergelder verschwendet.


 
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