© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/01 13. April 2001

 
Spagat über dem Abgrund
Parteien: Republikaner lecken ihre Wunden / Parteichef Schlierer hält Vortrag in Berlin / Im September will die Partei in Hamburg antreten
Alexander Schmidt

Wie will eine Partei, die in der politischen Auseinandersetzung als extremistisch gebrandmarkt und gemieden wird, langfristige Erfolge verbuchen? Eine scheinbar unlösbare Aufgabe nicht nur für politische Imageberater, sondern auch für den Bundesvorsitzenden der Republikaner, Rolf Schlierer, der sich um das moderne Erscheinungsbild seiner Rechtspartei alle Mühe gibt.

Während bei größeren Veranstaltungen etablierter Parteien der Auftritt des Parteivorsitzenden mit eingängigen Parteihymnen einhergeht, mußten für Schlierers Auftritt vergangenen Freitag im gut besuchten Rathaussaal in Berlin-Wedding das batteriebetriebene Keyboard und selbstkomponierte Gitarrenstücke ausreichen. Beides schien fast bildhaft für das verzweifelte Bemühen der Partei zu stehen, die politische Kreisliga zu verlassen.

Schlierer analysierte ausführlich die Landtagswahl in Baden-Württemberg und beschrieb in einer fast zweistündigen Rede die Gründe des Scheitern. Sein Rat, das Engagement für die Republikaner als patriotische Verpflichtung zu betrachten, und der Verweis, daß dem politischen Erfolg konservativer Gruppen immer eine Reihe von Niederlagen vorausgehe, schien nicht alle Anwesenden zu befriedigen. "Nicht nur verteidigen, sondern auch angreifen" blieb als mögliche Lösung im Saal des Rathauses stehen.

Trotz einiger Anleihen aus dem Wahlkampf der österreichischen Freiheitlichen, einer vermeintlich wachsenden Akzeptanz in der Bevölkerung und den guten Prognosen der Wahlforscher sei der Wiedereinzug in den Landtag nicht geglückt, weil die starke Polarisierung im Wahlkampf zwischen den Kandidaten von Union und SPD die kleinen Parteien einfach erdrückt hätte. Vielfach sei man sich des Erfolgs zu sicher gewesen, habe sich auf "nicht vorhandenen Lorbeeren ausgeruht" und strukturelle Schwächen nicht gesehen.

Ein gewachsener Werbeboykott der etablierten Medien – Presse wie Rundfunk – sowie die Aufheizung des politischen Klimas im "Kampf gegen Rechts" hätten ebenfalls zum Scheitern beigetragen.

Schlierer sprach weiter von einem Verfall der politischen Kultur in Deutschland, der es nötig mache, daß eine demokratische Rechtspartei wie die Republikaner weiterbestehe. Dabei verwies er auf einen Wähleranteil von zehn Prozent unter den Jungwählern sowie weiterhin stabile Ergebnisse in den Hochburgen.

Vielleicht war aber auch der mißglückte Schritt von der Protest- zur Programmpartei ein Grund des Scheiterns. Fingen noch vor Jahren Schlagworte wie "Ausländerkriminalität" Wählerstimmen, können heute Fragen der Bioethik und der Rentenreform nicht mit der Zuwanderungsproblematik beantwortet werden, die in Schlierers Rede eines der Leitmotive darstellte.

Die Republikaner haben es für die Öffentlichkeit nicht geschafft, sich mit Inhalten zu profilieren. Vielmehr sind sie in die Rolle des ewigen Kritikers geschlüpft, der ebensowenig Antworten hat. Schlierer übte in seiner Rede massive Kritik an dem deutschen Bildungssystem, der Rentenreform und der Ausländerfrage, ohne aber greifbare Lösungen zu präsentieren.

Am Tag nach der Schlierer-Auftritt befaßte sich der Bundesvorstand der Republikaner ebenfalls ausführlich mit den Wahlergebnissen und der Zukunft der Partei. Überraschend beschloß der Vorstand, am 23. September zur Bürgerschaftswahl in Hamburg anzutreten – in Konkurrenz zur Schill-Partei.


 
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