© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
UMWELT
Den ganzen Tag Flag, Flag, Flag
Volker Kempf

Ein AKW sieht so harmlos aus wie eine Fabrik. Das atomare Risiko und der Atommüll sind sinnlich nicht erfahrbar. Dennoch formiert sich Widerstand gegen die Kernkraft. Irgendwo muß der Strom aber herkommen. Alternativenergien lautet das Zauberwort. Dazu gehören auch Windkraftanlagen. Diese sind an sich zwar völlig harmlos, für unsere Sinne aber um so ärgerlicher. Das Dorfbild von Möglenz ist ruiniert, klagt ein Bewohner: "Früher war der Kirchturm das höchste Gebäude im Ort. Heute sind es die landschaftszerstörenden Windkraftspargel mit ihren Nachtblinkern."

Doch Windkraftanlagen sind heute das neue Heiligtum. Anzumahnen, daß sie nicht höher als die Türme der Gotteshäuser auf dem Land sein dürfen, grenzt für Windkraftgläubige an Ketzerei; für sie ist Kritik "Demagogie". Windkraft ist schließlich gut. Basta! Kritik unerwünscht. Doch eine Tischlermeisterin in der Lausitz macht sich gegenüber einer Reporterin der Lausitzer Rundschau vom 30. März 2001 Luft: "Da dreht man durch. Den ganzen Tag das monotone Flag-Flag-Flag, jeden Morgen die zischenden Schatten und jeden Abend der Diskoeffekt blitzender Flügel. Da müssen Sie mal versuchen zu arbeiten!" Doch auch weitab von den Wohn- und Arbeitshäusern, auf den Äckern, gibt es Ärger mit den Windpropellern. Ein Bauer berichtet, daß die Anlagen seinen Acker zerstückeln. Vor allem aber die Kühe, die an den Windanlagen auf dem Weg zum Stall vorbei müssen, reagieren instinktiv: "Wenn die Tiere das ganze Jahr draußen sind, werden die wieder ähnlich scheu wie ihre wilden Vorfahren. Und dann sind sie kaum noch zu bändigen." Es droht also ein Aufstand von Bewohnern, Bauern und Kühen in der Lausitz. Eine Bürgerinitiative gibt es schon.


 
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