© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
Bernhardiner lebendig gehäutet
Tierzucht: Die Hundemast in China ist Tierquälerei / Schweizer Regierung will sich nicht einmischen
Edgar Guhde

Die ersten Informationen wurden im Sommer 1998 in Europa bekannt: Am 16. Juli 1998 veröffentlichte die chinesische Zeitung Orient Daily die Nachricht, daß Bernhardiner-Hunde, ermutigt und subventioniert von mehreren Regierungsstellen, seit Anfang der neunziger Jahre als Schlachttiere von der Schweiz nach China importiert worden seien, um dort verspeist zu werden.

Eine Sendung des Pekinger Zentral-Fernsehens beschrieb die Vorzüge dieser Rasse u.a. damit, daß dieser "große und dumme Hund" nicht aggressiv sei und die Züchter daher keine Angst vor ihm haben müßten. Am 16. September 1999 bestätigte eine weitere chinesische Zeitung, die Peking Youth Daily, daß die Pekinger Firma Hong-Ding Breeding & Development Co. eine Hundezucht in KangXi (Nord-China) mit etwa 100.000 Hunden unterhält, vor allem Bernhardiner, Dänische Doggen und Tibetanische Mastiffs. Wenige Tage später stand in der Fachzeitschrift China Journal of Animal Husbandry ein Artikel speziell über Bernhardiner-Hunde und daß die Tiere aus der Zucht in KangXi in einem Schlachthaus in Changping (rund 50 km nordwestlich von Peking) massakriert werden, um das Fleisch in Dosen zu marinieren oder als Koteletts zu konservieren. Auch im Internet wurde entsprechend berichtet (wobei die englische Version dieser Internet-Seiten schließlich entfernt wurde). Schon 1999 waren 300 weitere, kleinere "Farmen" mit Zucht-Bernhardinern geplant, um den Bedarf zu decken. Nach den bisher vorliegenden Informationen wird bisher nur eine größere Anlage als staatliche von der Regierung geführt. Der Fernsehsender RTL brachte am 12. März diesen Jahres die Reportage seines Teams, das nicht nur die Hundefleisch-Restaurants und -Märkte zeigte, sondern auch eine große Zuchtstation mit Bernhardinern in engen Drahtkäfigen. Der Hintergrund: Aufgrund der gestiegenen Einkommen hat sich auch die Ernährungsweise der chinesischen Bevölkerung verändert. Hundefleisch ist zunehmend gefragt. Der "normalerweise" saisonal auf die kalten Wintermonate beschränkte Hundefleischverzehr wurde zum ganzjährigen "Renner". Daß die Europäer den Verzehr von Hunden mit Abscheu und Empörung betrachten, stößt bei den meisten Chinesen auf Unverständnis. "Ausländer können keine Hunde essen, weil sie die als kuschelige Haustiere halten. Manche Chinesen fangen jetzt auch schon damit an." Mit Blick auf die Züchter propagieren chinesische Agrarinstitute die Bernhardiner-Mast als hervorragende Einkommensquelle und preisen diese Rasse als rasch heranwachsende, krankheitsresistente und wohlschmeckende Speisehunde, deren Haltung besonders rentabel sei, viermal mehr einbringe als eine Schweinezucht und dreimal mehr als eine Hühnerzucht.

Eine zweijährige Nachforschung hat ergeben, daß vor allem in Nordchina ungefähr zwei Millionen Hunde und Katzen jährlich für ihr Fell auf äußerst brutale Art umgebracht werden. Auch die Masthunde werden qualvoll zu Tode geprügelt, weil die Streßhormone angeblich das Fleisch schmackhafter machen und eine sexuelle Stimulierung bewirken. Auch mit Elektroschocks werden die Tiere mißhandelt, damit ihr Fleisch durch die erlittenen Qualen ein Maximum an Adrenalin enthält. Die RTL-Reportage zeigte, wie die Hunde mit dem Kopf nach unten aufgehängt und mit langen Knüppeln langsam zu Tode geprügelt werden. Noch entsetzlichere Aufnahmen wollte der Sender seinen Zuschauern nicht zumuten ... Verbreitet ist auch die Methode, den Hunden eine Metallschlinge um den Hals zu legen und sie dann zu hängen. Die Schlinge wird stark angezogen, damit die Tiere langsam ersticken. Um den Todeskampf zu verlängern, wird die Schlinge von Zeit zu Zeit gelockert. Die Hunde sind normalerweise noch nicht tot, wenn ihnen das Fell abgebrannt wird. Eine andere Methode besteht darin, die Hunde (oder die Katzen) lebendig in kochendes Wasser zu tauchen. Noch lebend wird ihnen dann das Fell abgezogen.

Angesichts dieses Horrors wurde am 14. Februar 2000 in der Schweiz die Vereinigung "SOS Saint Bernard Dogs – International" mit dem Ziel gegründet, "bei den Verwaltungen und Regierungen der asiatischen Länder, die den Import von Bernhardiner-Hunden ermutigen und tolerieren, zu intervenieren, um diesen den historischen Wert dieser Hunde bekanntzumachen; sich gegen die Haltung der Bernhardiner-Hunde in Käfigen, die als Reproduktionshunde für Fleischhunde verwendet werden, einzusetzen; über die brutalen Schlachtmethoden in Süd-Ost-Asien von Hunden und Katzen und auch anderen Tieren zu berichten; den Tierschutz in den betroffenen asiatischen Ländern zu überwachen."

In einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vom 13. März 2001 heißt es, es gebe "kein Dokument, in dem der Bundesrat seine Zustimmung zur Nutzung von Bernhardiner-Hunden als Schlachtvieh in China erteilt". Der Bundesrat wolle sich aber nicht einmischen und die Ernährungsgewohnheiten anderer Völker kritisieren. Die Anfrage eines Nationalrats wurde von Bundesrat Kaspar Villiger dahingehend beschieden, Schweizer Bernhardiner-Züchter würden darauf achten, daß möglichst keine Bernhardiner mehr nach China gelangten. Es sei aber den Züchtern ebensowenig wie dem Bundesrat möglich, auf die Züchter in anderen Ländern Einfluß zu nehmen. (Anfang Februar hatten Tierschützer eine Petition mit 11.000 Unterschriften beim Bundesrat eingereicht mit der Forderung, sich bei den chinesischen Behörden nach dem Schicksal der exportierten Bernhardiner zu erkundigen.)

Diese in ihrer Grausamkeit nicht mehr zu überbietenden Schlachtmethoden bezeugen einen Umstand, der immer wieder unbeachtet und unkommentiert blieb: Daß die kommunistische Ideologie weder fähig noch auch nur willens war und ist, Tieren auch nur einen minimalen Schutz vor Quälerei und Folter zu gewähren. Schon Marx und Engels spotteten über die englischen Tierschützer ihrer Zeit; auch bei den anderen marxistischen und leninistischen Theoretikern oder Politikern findet sich kein Wort zu diesem Thema (Ausnahme: Rosa Luxemburg). In der Praxis aller kommunistischen Staaten waren die Tiere in besonders extremer Weise Ausbeutungsobjekt, und zwar, ohne daß in der Öffentlichkeit darüber berichtet werden konnte. In der DDR wurden folgerichtig bereits 1950 alle Tierschutzvereine aufgelöst. Und in China haben sich Tradition und Kommunismus zu einem besonders teuflischen Bündnis der Tierquälerei vereint.

 

Adresse: "SOS Saint Bernard Dogs – International", P.O.Box 56 – CH-1211 Genf 7. Der Verein ist auch im Internet zu finden: www.Interportail.net/SosStBernardDogs/ E-Post-Adresse: sosstbernard@befree.ch

 

Interview mit einem chinesischen Bernhardiner-Züchter
Geführt von Julie Chao in Datong, China, für die Schweizer Vereinigung "SOS Saint Bernard Dogs – International": Der Hundezüchter und Spekulant Zhang Weilin sieht es, wie Chao schreibt, nur als eine Frage der Zeit, bis die Hundefleisch-Industrie erfolgreich wird. Mit seinen 90 Bernhardinern hofft er ganz vorne mitzumischen. "Fleischhunde zu züchten wird wie Kühe und Schafe züchten, wenn China den Hundefleischmarkt liberalisiert." Chao erklärt weiter: "Die Bernhardinerzucht, für die Zhang verantwortlich ist, ist seinen Worten zufolge die größte in China, übrigens die einzige, die von der chineschen Regierung geführt wird. Zur Zeit züchtet er nur Bernhardiner und schlachtet nicht. Aber er plant, Chinas größte Hundefleischfabrik aufzubauen." Mit dem Verkauf von Zuchttieren in ganz China, mit dem Versprechen, Bernhardiner als Fleischhunde zu züchten sei drei- bis viermal rentabler als Schweine oder Hühner, hat Zhang seine ursprüngliche Investition von 324.000 US-Dollar in einem Jahr wieder eingenommen.

 

Die Bernhardiner werden seit Jahrhunderten als treue Gefährten geschätzt: Im April 1801 unternahm der Waadtländer Pastor Bridel eine Reise zum Großen St. Bernhard und machte darüber interessante Notizen. Er konnte "die in ganz Europa berühmten Hunde nicht vergessen". Er schreibt, "man könnte über diese wunderbare und wertvolle Rasse nie genug wissen. Ihre Farbe ist rot-braun, mit weißen Flecken. Ihr Charakter ist außerordentlich sanftmütig. Sie beißen nie und bellen selten bei der Ankunft der Reisenden. Sie gehen den Reisenden oft allein entgegen bis zum Fuß des Gebirges und dienen ihnen als Führer bis zum Kloster. Sie besitzen einen bewundernswerten Instinkt, der sie befähigt, den Weg wiederzufinden oder einen im Schnee verschütteten Reisenden aufzuspüren. Es wäre jedoch falsch, die Fähigkeiten der Hunde ausschließlich der Natur zuzuschreiben. Es sind die Patres, die sie abrichten, und eine Erziehung zur Gastfreundlichkeit – wie man es nennen könnte – erfordert viel Sorgfalt und Geduld. Es ist wahr, daß die jungen Hunde sich leicht daran gewöhnen, das Beispiel der älteren nachzuahmen. Diese Rasse liebt ganz besonders den Schnee, und die Bernhardiner wälzen sich mit Vorliebe im frisch gefallenen Schnee. Sie ziehen das Gebirge der Ebene vor." (Zitate aus dem Reisebericht "Petite course au Saint-Bernard en avril 1801", erschienen in der Zeitschrift Etrennes helvétiennes et patriotiques)


 
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