© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
PRO&CONTRA
Schuluniformen einführen?
Josef Hollerith / Axel E. Fischer

Meiner Meinung sollten die Kultusminister der Länder ernsthaft die Einführung von Schuluniformen erwägen. An den Schulen findet immer mehr ein Wettbewerb unter den Schülern statt, welches Kleidungsstück welcher Markenware getragen wird. Je teurer, desto besser. Leider gibt es auch Eltern, die diese Entwicklung unterstützen. Schüler, die die entsprechenden Kleidungsstücke nicht tragen, werden gehänselt oder geraten in Außenseiterpositionen.

In England und Spanien haben sich Schuluniformen daher bewährt. Schuluniformen können schön sein und auch lokale Besonderheiten der Region und der Schule widerspiegeln. Auch das Tragen bestimmter Markenartikel in einer Klasse ist ein Stück Uniformität.

Ungeachtet der finanziellen Verhältnisse der Eltern sollte allen Schichten der Bevölkerung jede Schulform offenstehen.

In den Sprechstunden in meinem Wahlkreis Altötting höre ich von Eltern v.a. mit mehreren Kindern, daß der Wettbewerb "Wer trägt heute in der Schule das angesagteste und damit das teuerste T-Shirt" die Etats von Familien immer stärker belastet. Sicherlich können sich Eltern dieser materialistischen Einstellung verweigern. Zu leiden haben darunter aber die Kinder.

Als Vater einer Tochter von sechs Jahren und eines dreijährigen Sohnes handle ich trotz meines sicherlich sehr guten Einkommens in meiner eigenen Familie entsprechend. Meine Kinder erhalten bequeme Kleidung, die auch mal schmutzig werden darf. Ob es sich um einen Markenartikel handelt, ob dieser modern ist, spielt bei uns zu Hause keinerlei Rolle.

Der Druck für die Kinder und damit auch für die Eltern beginnt aber teilweise schon im Kindergarten. Diesen Druck würde ich meinen und allen Kindern gerne ersparen. Alle Eltern und Lehrer sind aufgerufen, immer deutlich zu machen, daß der "Wert" eines Menschen nicht vom teuersten Kleidungsstück oder vom edelsten Handy abhängt.

 

Josef Hollerith, Bundestagsabgeordneter der CSU, sitzt für den Wahlkreis Altötting-Ebersberg-Mühldorf im Parlament.

 

Ob "Mao-Look" in China, Einheitsauto in der ehemaligen DDR oder Volksempfänger im Dritten Reich: totalitäre Systeme bedienen sich der Uniformierung zur Verhinderung sozialer Differenzierung. In einer offenen Gesellschaft muß jedoch die Frage im Vordergrund stehen: Was fördert die Persönlichkeitsentfaltung in der Schule am besten? Schuluniformen mögen soziale Spannungen innerhalb einer Schule oder eines Klassenverbandes abbauen. Dennoch: Schüler anderer Schulen werden durch Uniformierung ausgegrenzt mit der Tendenz zur sozialen Schließung, besonders deutlich bei Privatschulen. Die Uniformierung von Schülern geht zudem immer mit dem Verlust persönlicher Entfaltungschancen einher. Die individuelle schulische Förderung entsprechend der Veranlagung, der Wünsche und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen wird in einem wesentlichen Bereich der Persönlichkeitsentfaltung, dem der Außendarstellung des Schülers, eingeschränkt. Könnten tatsächlich alle äußeren Anzeichen der Unterschiede in der familiären finanziellen Ausstattung der Schüler erfolgreich beseitigt werden, dann wiederum gingen den jungen Menschen in unserer Gesellschaft Antriebskräfte zur Steigerung von Ehrgeiz und Fleiß verloren.

Interpretiert man schließlich den "Markenwahn" als Antwort auf fehlende Möglichkeiten zur Leistungsdifferenzierung an deutschen Schulen, erscheinen grundlegende Veränderungen der Werthaltungen im Bildungsbereich ohnehin notwendig. Die Erziehungsberechtigten, nicht der Staat, tragen für die angemessene Bekleidung ihrer Kinder Sorge. Ein freiwilliges Angebot von Schuluniformen an Schüler und Eltern könnte geeignet sein, die Identifikation der Schüler mit ihrer Schule zu fördern. Der Zwang zum Tragen einer Schuluniform erscheint vor dem Hintergrund der derzeit proklamierten gesellschaftlichen Ziele wie der Erfahrungen mit totalitären Systemen jedoch verfehlt.

 

Axel E. Fischer ist CDU-Bundestagsabgeordneter und im Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung tätig.


 
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