© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
Verfassungsschutzbericht
Erwähnt, eingeordnet, diffamiert
Dieter Stein

Nachdem Willy Brandt 1969 die erste SPD-geführte Nachkriegsregierung übernommen hatte, absorbierte das Parteiensystem aus SPD, FDP und CDU/CSU alle verbliebenen Kleinparteien. Union und SPD wuchsen zu riesigen Volksparteien, die zwischen sich nur noch einen schmalen Zwischenraum für die FDP ließen. Erst die achtziger Jahre brachten von links bundesweit die Grünen, von rechts lokal Republikaner und andere kleine Rechtsparteien hervor, seit der Wiedervereinigung auch die PDS. Jetzt nähern wir uns aber wieder den Verhältnissen der siebziger Jahre an – die kleinen Parteien schrumpfen, die großen wachsen. Darüber hinaus gehen immer weniger Bürger zur Wahl. Entweder glauben viele Deutsche, Wahlen änderten nichts, oder aber es geht ihnen so unverschämt gut, daß ihnen letztlich gleichgültig ist, wer gerade in Berlin die Steuern der Bürger verbrät. Vermutlich beides.

Sich jenseits des Establishments regender oppositioneller Widerspruch wird aufmerksam beäugt. Innenminister Otto Schily stellte vergangene Woche in Berlin den neusten Verfassungsschutzbericht des Bundes vor. Dort wird die JF zwar nicht als rechtsextrem eingeordnet, auch werden ihr im Gegensatz zum Bericht des Landes NRW keine "tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen" angedichtet. Aber sie wird im Zusammenhang mit "Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus" erwähnt.

Wir zitieren: "Einer der wenigen Erfolge, die rechtsextremistische Intellektuelle im Laufe der 90er Jahre verzeichnen konnten, war die undeutlicher gewordene Abgrenzung zwischen einigen demokratisch-konservativen und rechtsextremistischen Autoren auf publizistischer Ebene. Vertreter beider Lager schrieben in gleichen Publikationsorganen, Sammelbänden und Verlagen. Allerdings stagnierten derartige Tendenzen in den letzten Jahren, erklärte sich doch nur ein kleiner Kreis von Konservativen zu einer solchen Zusammenarbeit bereit. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Kontext nach wie vor die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT, die sowohl Demokraten als auch Rechtsextremisten zu ihren Autoren und Interviewpartnern zählt. Bei Interviews fällt ein unterschiedliches Vorgehen der das Gespräch führenden Redakteure auf. Während etwa demokratische Politiker mit Auffassungen, die den Positionen der JUNGEN FREIHEIT widersprechen, sehr kritisch befragt werden, bietet man bekannten Rechtsextremisten ein Forum ohne kritische Kommentierung. Ein Beispiel dafür ist das Interview mit Sascha Wagner, dem Landesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten in Rheinland-Pfalz; der Interviewer nahm eher die Rolle des Stichwortgebers ein, ohne kritisch nachzufragen. Auch ein Spendenaufruf der JUNGEN FREIHEIT zugunsten des rechtsextremistischen ’Dark Wave‘-Musikers Josef Klumb zeugt nicht von einer grundlegenden Distanz zu diesem politischen Lager."

Die Erwähnung der JF im Bericht des Innenministers ist eine Unverschämtheit. Es ist schmeichelhaft, attestiert zu bekommen, man stelle "sehr kritische" Fragen. Wert legen wir darauf, diese in jede Richtung zu stellen. Und Josef Klumb ist ein romantischer Sänger, aber sicher kein Extremist ...


 
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