© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/01 30. März 2001

 
Neulich im Internet
Gewußt wo
Erol Stern

"Man muß nicht alles wissen, man muß nur wissen, wo es steht." Diese alte Weisheit kennt wohl jeder. Waren früher eher Bücher und Zeitschriften gemeint, so hat sich das Informationsverhalten schon jetzt stark auf das Internet verlagert. Das ist weniger Bequemlichkeit, sondern vielmehr ein Zugeständnis an Zeitgeist und Ergonomie. Ein Faktor dabei ist sicherlich das mündigere Verbraucherverhalten. Wer etwas kauft, informiert sich zunehmend im scheinbar neutralen Internet. Das Internet demokratisiert das menschliche Know-How, das sich mit rasender Geschwindigkeit verdoppelt. Aber wissen wir wirklich mehr? Als ich kürzlich im Berliner Umland nach dem Weg fragte, deutete mir ein hilfsbereiter Passant, "bei den Pappeln" abzubiegen. Meine grauen Zellen hatten jedoch jenes Naturkundewissen längst "entsorgt", und so hatte ich ein neues Problem. Im Zeitalter von immer beliebter werdenden Quizshows gilt es glücklicherweise nicht mehr als altklug, ein breitgestreutes Wissen zu haben, jedoch wächst die Gefahr, in Oberflächlichkeit abzugleiten. So weiß heute scheinbar jeder über Aktienmärkte, Computer, Medizin, Quantenphysik usw. Bescheid, also in früherem "Expertenwissen". Andererseits verleiten diese unermeßlichen intellektuellen Fundgruben, die Informationen schneller zu vergessen. Weil sie jederzeit und allerorts verfügbar sind, zumal die handschriftliche Notiz besser in Erinnerung blieb. Bisher existieren keine Untersuchungen über die Auswirkungen auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis, aber möglicherweise könnte es bald heißen: "iBildung ist auch Bildung", beobachtet Euer Erol Stern


 
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