© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/01 30. März 2001

 
Der Sieger heißt Schröder
Landtagswahlen I: CDU und SPD im Polarisierungswettstreit / Kleinere Parteien erleben Debakel
Paul Rosen

Nach der Wahl lief es wieder ab, das altbekannte Ritual: die etablierten Parteien erklären sich, nachdem die Bürger – in geringerer Anzahl als beim letzten Mal – in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu den Wahlurnen gegangen waren, zum Sieger. Nur bei den jüngeren politischen Gruppen, bei den Grünen und bei den Republikanern, sieht es düster aus: Die einstige Öko- und heutige Karrieristen-Partei fällt in großen Schritten Richtung fünf Prozent. Den Republikanern beschert die Baden-Württemberg-Wahl das parlamentarische Aus, nachdem sie zwei Legislaturperioden dem Stuttgarter Landtag angehört hatten (siehe Beitrag auf dieser Seite).

Der eigentliche Sieger heißt Gerhard Schröder. Der Kanzler im Brioni-Anzug kann sich im Glanz starker prozentualer Zugewinne sonnen. Sein Statthalter in Helmut Kohls Stammland Rheinland-Pfalz, der biedere Kurt Beck, gewann fast fünf Prozentpunkte hinzu und hievte die SPD auf ein Spitzenergebnis von 44,7 Prozent. Auch in Baden-Wüttemberg holte die stets lächelnde Ute Vogt die SPD aus dem Keller. 33,3 Prozent und somit 8,2 Punkte mehr als beim letzten Mal, lautet hier das Ergebnis.

Für Schröder stehen zwei Konsequenzen aus dem Wahlergebnis fest: Zunächst zahlt sich Geschlossenheit aus. Der Kanzler und sein SPD-General Franz Müntefering hatten in den Wochen vor den Landtagswahlen in der Partei mit eisernem Besen gekehrt und Geschlossenheit eingefordert. Strittige Punkte, wie die Regelungen zur privaten Vorsorge bei der Rentenreform, waren kurzerhand von der Tagesordnung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat gestrichen worden. Zu groß wäre die Gefahr gewesen, daß sich Risse im schönen Haus der deutschen Sozialdemokratie gezeigt hätten. Ganz nebenbei verstand es Schröder noch geschickt, der Union die Blockade der Rentenreform im Bundesrat vorzuwerfen.

Ein zweites Fazit zog Schröder aus der Tatsache, daß in beiden Bundesländern die jeweiligen Regierungschefs – Kurt Beck und in Baden-Württemberg Erwin Teufel von der CDU – Zugewinne einheimsen konnten. Daraus schloß er, daß starke Führungspersönlichkeiten gefragt sind. In der Wahlnachlese-Sitzung des Parteivorstandes bezog Schröder dies auch unmittelbar auf sich, als er auf die Bundestagswahl 2002 zu sprechen kam. Es droht also ein "Schröder - wählen" - Wahlkampf.

Zugleich drehte der Machtmensch aus Hannover den Spieß um und amüsierte sich über die Lager der CDU. Die habe keine starken Persönlichkeiten im Angebot, vielleicht wollte sie Hilfe aus der Provinz holen. Damit spielte Schröder auf den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber an, der sich alle Optionen auf die Kanzlerkandidatur offenhält. Oder aber auch auf den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Koch will jedoch frühestens zur Bundestagswahl 2006 auf die Berliner Bühne und bis dahin noch die Landtagswahl im Jahre 2003 gewinnen. Auf jeden Fall zeigt Schröder der Ausgang der Landtagswahlen, daß er mit einiger Gelassenheit der Bundestagswahl 2002 entgegenblicken kann.

Dies ist bei den Grünen nicht der Fall. Deren Umweltminister Jürgen Trittin, der mit seinem Skinhead-Vergleich über CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer die Nationalstolz-Debatte losgetreten hatte, bekam eine Art Mundschutz verpaßt. Äußern soll er sich nur noch, wenn es um Umweltschutz oder Castor-Transporte geht. Auch wenn Grünen-Chef Fritz Kuhn trotzig sagte, man wolle es wieder packen, "daß wir nach oben gehen", so haftet der Partei der Geruch der Dauerbaisse an: Verluste bei 15 Landtagswahlen in Folge. Das Polster schmilzt, die Fünf-Prozent-Hürde rückt erbarmungslos näher. Schon spottet der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle, die Grünen seien eine Ein-Generationen-Partei, und aus dem Thomas-Dehler-Haus wird süffisant verbreitet, Zuwächse hätten die Grünen nur noch in der Wählergruppe ab 60 Jahren aufwärts gehabt.

Schröder stellte bereits die Daumenschrauben beim grünen Koalitionspartner nach. Die SPD habe sich als "bestimmende Kraft der Mitte" etabliert, um die sich die kleineren Parteien gerne scharen dürften. Daß die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz wieder mit der FDP gehen würden, habe jedoch weder für Beck noch für ihn bundespolitischen Modellcharakter, betonte Schröder. Mit seinen zurückhaltenden Bemerkungen machte der Kanzler deutlich, daß die SPD erst einmal abwarten will, wie es bei den Grünen weitergeht. Trittin bleibt im Amt, doch die zurückgehende Attraktivität der Grünen, verbunden mit ihrer Nichtexistenz in den neuen Bundesländern, lassen ihr Ausscheiden aus dem Bundestag 2002 nicht nur als rein theoretische Möglichkeit erscheinen. Ein kluger Mann wie Schröder baut da lieber vor.

Auch wenn Frau Merkel sich in Berlin höchstselbst zur Siegerin von Baden-Württemberg erklärte, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß Teufel seinen Zuwachs nur mit Brandreden gegen die Berliner Parteiführung gewonnen hat. Distanz zu Berlin und der Amtsbonus des Ministerpräsidenten verhalfen der CDU im Südwesten zu ihrem Zuwachs von 3,5 Prozent. Merz und Merkel hatten sich in den letzten Wochen arrangiert, so daß der Union eine neue Doppelspitzen-Diskussion vorläufig erspart bleibt. Auch haben weder Stoiber noch Koch, die mächtigen Unionsfürsten im Hintergrund, ein Interesse am Ende der Doppelspitze, die, weil Merz zu schwach ist, nur Merkel zur eigentlichen Kohl-Nachfolgerin machen würde. Interessant ist aber ein Nebenaspekt der Wahlen: Mit Christoph Böhr scheiterte in Rheinland-Pfalz ein Vertreter der "sanften" Jungen Union der siebziger Jahre derart deutlich, daß hier eine ganze Generation vor dem Ende stehen könnte. So sieht in Niedersachsen Böhrs ehemaliger JU-Kollege Christian Wulff seiner dritten Wahlniederlage entgegen. Müntefering sprach bereits von der "Verlierergeneration der CDU" – ein böses, aber wahres Wort.

Bei der FDP platzen die Träume von den zweistelligen Ergebnissen aus eigener Kraft wie Seifenblasen. Zwar nahmen die Liberalen den Grünen den dritten Platz im Parteispektrum wieder ab, doch Jürgen Möllemanns "Projekt 18" mit eigenem Kanzlerkandidaten ist gescheitert. Guido Westerwelles Gerede von den sich auflösenden Parteinstrukturen in Deutschland, das damit Entwicklungen in anderen euorpäischen Ländern folge, erweist sich als falsch oder verfrüht. Die FDP, so scheint es, bleibt, was sie immer war: eine reine Funktionspartei. Damit gibt es neben der SPD noch einen zweiten Sieger der beiden Landtagswahlen: die Restauration westdeutscher politischer Verhältnisse.


 
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