© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/01 30. März 2001


Voreiliger Schritt
von Ekkehard Schultz

Bahnchef Hartmut Mehdorn plagen Sorgen. Nein, diesmal geht es nicht um Altschulden, Streckenstillegungen und Verspätungen. Es sind zahlreiche Wirtschaftsverbände, die Spitzen der Regierungsparteien und allen voran Verkehrminister Bodewig, die Mehdorn das Leben schwermachen. Nach deren Willen soll sich die Bahn so schnell wie möglich auf den Eisenbahnbetrieb beschränken und privaten Mitbewerbern die Nutzung des gesamten Schienennetzes gegen Gebühr gestatten, um den Wettbewerb auf der Schiene zu fördern.

Daß die Bahn AG dringend Reformen benötigt, wird kein Nutzer des Verkehrsmittels bestreiten. Allerdings ist auffällig, daß die Vorreiterstaaten einer solchen Marktöffnung ihre übereilten Liberalisierungsschritte bereits wieder revidieren. In England beschloß kürzlich die Regierung, mit Investitionsprojekten zur Verbesserung des überalterten Schienennetzes nicht mehr private Unternehmen, sondern eine staatliche Gesellschaft zu betrauen. Auch in Japan mehren sich die Stimmen der Privatisierungskritiker, seitdem sich herausstellte, daß sich zwar die privaten Bahnbetreiber gerne auf den Filetstrecken einkaufen und damit satte Gewinne erwirtschaften, jedoch nicht bereit sind, die hohen Kosten mitzutragen, die deren erhöhte Frequentierung verursacht.

Es wäre daher sinnvoll, wenn sich die Reformer zunächst einmal über das Ausmaß der angestrebten Privatisierung verständigten. Daß hierbei voreilige Schritte nicht immer die besten sind, sollte Deutschland aus den Erfahrungsschatz der besagten Länder lernen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen