© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/01 23. März 2001

 
Für jeden etwas
Kino: "Lebenszeichen – Proof of Life" von Taylor Hackford
Ellen Kositza

Bald ein Jahr alt ist die Geschichte der biederen Touristenfamilie Wallert, die als Entführungsopfer mit Millionenwert im vergangenen Jahr Herz und Seele der Deutschen daheim bewegten. Unvergessen, wie aus Sohnemann Marc ein vom Leben gezeichneter Bartträger wurde, wie Renate Wallert, durchfallgeplagt, dann Mann und Sohn zurückließ und eine Woche lang die Nation durch die Frage "Darf eine Mutter so etwas tun?" bewegte.

Natürlich ist genau das der Stoff, aus dem Filme gemacht werden, amerikanische zumal: Alice (Meg Ryan) und Peter Bowman (David Morse, der "gute" Gefängniswächter in "The Green Mile") durchleben eine heftige Ehekrise. Seit Alices Fehlgeburt ist nichts, wie es war: Sie, Hausfrau, fühlt sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen, ihm dagegen fehlt ihre Unterstützung bei seinen Karriereplänen. Alice möchte heim in die Staaten, während er in ihrem derzeitigen Wohnort in Kolumbien als ambitionierter Ingenieur einen großangelegten Dammbau vorantreiben möchte.

Auf der Fahrt zu seiner neuen Arbeitsstelle, immer noch wutentbrannt über den letzten Streit mit seiner Gattin, gerät Peter in einen Hinterhalt kolumbianischer Guerilleros. Da seine Person ein hohes Lösegeld zu versprechen scheint, wird er entführt und nach einer strapaziösen Tour durch die Anden in einem Lager untergebracht, das die Terroristen gleichzeitig als Kokain-Werkstatt nutzen. Gepeitschte Fußsohlen, Nahrung, die kaum den Namen verdient – hier erst setzt die Mannwerdung des vormalig so weichgesichtigen Peter ein.

Alice unterdessen erfährt, daß Peters Auftraggeber ihre Versicherung für solche Entführungsfälle vor Monaten gekündigt haben. Ein schräger Stümper soll bemüht werden, um die Verhandlungen mit den Kidnappern zu führen. Alice aber möchte für diese Aufgabe den australischen Spezialisten Terry (Russell Crowe) gewinnen, der schließlich seine Hilfe zusagt und fortan Peters Befreiung plant. Nach Wochen des mitunter hoffnungslos erscheinenden Hoffens und Bangens um Peter müssen sich Alice und Terry jedoch eingestehen, ineinander verliebt zu sein ...

Neu daran ist nicht viel, allenfalls Schnulzen-Meg in einem Action-Drama überrascht ein wenig und die Tatsache, daß ein Hauptdarsteller mit einem VW durch die Gassen rast. Eigentümlich die Darstellung der dunklen einheimischen Rebellen: durchweg zutiefst barbarisch, brutal, tierisch lebend und agierend.

Zwischendurch herrscht kein Mangel an peinlichen Szenen, die wie Witze wirken, die zum Verständnis erklärt werden müssen: Alice mit Tränenaugen, alte Fotos vom jungen Eheglück betrachtend – Schnitt, dann Peter, zerschunden in seinem Gefängnis, auch er schmachtend über einem zerknitterten Bild der ehemals so innig Liebenden, wieder Schnitt zur sinnenden Alice und so weiter.

Insgesamt gewissermaßen ein Unisex-Film für Pärchen: ihm die wuchtigen Actionszenen, ihr das Liebesdrama und der smart-verwegene Russell Crowe als personifizierter Schicksalsknotenpunkt, und beiden immer wieder der imposante Panoramablick über die Anden. Dabei ist dies alles nett inszeniert, bisweilen gar aufregend und auch in seiner Gefühlsseligkeit allemal unterhaltsamer und ästhetischer als die authentischen "Girlscamp"-Heulsusen oder die pflaumweichen "Nur die Liebe zählt"-Bekennermenschen. Und schließlich ist da noch der Deutsche Erich Kessler, Mithäftling in der Kokainfabrik, brillant gespielt von Gottfried John – der reißt einiges heraus und macht den Film letztlich doch beinahe sehenswert.


 
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