© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/01 16. März 2001

 
Eine neue transatlantische "Sonderbeziehung"
USA: Präsident Bush hegt Mißtrauen gegenüber multinationalen Regierungen / Skepsis beim Balkan-Engagement
Matthew Richer

Manche Kommentatoren erwarten von dem neuen US-Präsidenten George W. Bush eine isolationistische Außenpolitik; andere sind der gegenteiligen Meinung. Was immer man von Bush halten mag, seine Außenpolitik wird sich auf jeden Fall von der seines Vorgängers Bill Clinton unterscheiden. Clinton zeigte sich als Anhänger einer multinationalen Regierungsform. Er bemühte sich stets darum, die USA an multinationalen Abkommen und "Friedensmissionen" zu beteiligen. Dabei gelang es ihm nie klarzustellen, warum solche Einsätze im amerikanischen Interesse sein sollten. Die Nato-Intervention im ehemaligen Jugoslawien beispielsweise stieß in der amerikanischen Bevölkerung nie auf besonders viel Begeisterung, genausowenig wie der Vertrag von Tokio. Diesen radikalen umweltpolitischen Vertrag unterzeichnete Clinton letztes Jahr, ohne ihn überhaupt dem Senat vorzulegen. Ihm war nur allzu bewußt, daß dieser den Vertrag niemals ratifiziert hätte.

Die Republikaner dagegen stehen dem multinationalen Gedanken seit langem kritisch gegenüber. Als der damalige Präsident Woodrow Wilson im Anschluß an den Ersten Weltkrieg den Völkerbund erfand, aus dem später die Vereinten Nationen hervorgingen, weigerte sich der Kongreß, in dem die Republikaner die Mehrheit hatten, 1918 den Beitritt der USA abzusegnen. Ohne amerikanische Beteiligung erwies der Völkerbund sich erwartungsgemäß als totgeborenes Kind.

Heute sieht die Lage nicht viel anders aus. Viele republikanische Politiker sind Gegner der Vereinten Nationen und verhindern regelmäßig amerikanische Beitragsleistungen. Im vergangenen Jahr zwang der – wiederum von den Republikanern beherrschte – Kongreß Präsident Clinton, Druck auf die Uno auzuüben, ihre Politik zu reformieren. Im Gegenzug verabschiedete der Kongreß die Zahlung von über einer Milliarde US-Dollar, die jahrelang ausgesetzt worden war.

Insgesamt – und das gilt auch für den neuen Präsidenten – herrscht unter Republikanern Mißtrauen gegenüber multinationalen Regierungen, weil in deren Entscheidungsprozessen Wissen, Macht und Moral eine zu geringe Rolle spielen. Die USA zum Beispiel bestreiten mehr als 30 Prozent des Uno-Budgets, aber ihre Stimme zählt oft nicht mehr als die Liechtensteins oder Irans. Japan zahlt 19 Prozent des Budgets und hat nicht einmal eine Stimme im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – im Gegensatz zu China und Rußland.

Als eine seiner ersten Amtsmaßnahmen unterband Präsident Bush die finanzielle Unterstützung internationaler Organisationen, die Abtreibungen befürworten oder durchführen – eine Kehrtwende um 180 Grad gegenüber der Politik seines Vorgängers.

Die jetzige Konstellation, daß ein republikanischer Präsident mit einem mehrheitlich republikanischen Kongreß regiert, läßt erwarten, daß es verstärkt zu Spannungen zwischen den USA und den Vereinten Nationen sowie zwischen den USA und dem Internationalen Währungsfonds kommen wird.

Während der erste Amtsbesuch des neuen Präsidenten traditionell nach Europa führt, bereiste Bush Mexiko, um dort für Markt- und Handelsfreiheit zu werben. Seiner Meinung nach läßt sich die politische Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten auf diesem Weg am besten gewährleisten – nicht durch die Bildung multinationaler Regierungskörper. Der mexikanische Präsident Auguste Fox stimmte Bush zu, und beide äußerten die Absicht, diese Herangehensweise auf ganz Lateinamerika auszudehnen.

Lateinamerika ist mittlerweile der am schnellsten wachsende Markt für US-amerikanische Exporte. Ob es den europäischen Staaten paßt oder nicht – sie stehen nicht mehr im Mittelpunkt der US-Außenpolitik. Statt dessen wenden die USA sich mehr und mehr den neuen Märkten auf der anderen Seite des Pazifik und in Südamerika zu.

Schuld daran ist nicht zuletzt die unbewegliche Handels- und Wirtschaftspolitik der Europäischen Union. Der Streit um den Handel von Bananen und hormonbehandeltem Rindfleisch, der kürzlich vor der Welthandelsorganisation (WTO) ausgetragen wurde, ist das beste Beispiel dafür. In beiden Fällen entschied die WTO zugunsten der USA – und mußte erleben, daß die EU ihre Entscheidungen ignorierte. Kein Wunder, daß sich in Washington Europa-Skepsis ausbreitet!

Die Einführung des Euro trägt ein weiteres dazu bei, das Wohlwollen zu zerstören, das die USA dem europäischen Einigungsprozeß ursprünglich entgegenbrachten. Das amerikanische Volk hält große Stücke auf den freien Markt. Viele der Länder, die wie Deutschland den Euro enthusiastisch willkommen heißen, befürworten dagegen ein unnötig starkes Eingreifen staatlicherseits in wirtschaftliche Entwicklungen. Um das Überleben dieser Wirtschaftsform zu sichern, ist keineswegs auszuschließen, daß Europa die "Eurozone" noch protektionistischer ausgestalten wird.

Bush wird sich dagegen um Öffnung der Märkte und der Handelsbeziehungen bemühen. In diesem Sinne liegt ihm Europas rebellischstes Kind, Großbritannien, besonders am Herzen. Die alte transatlantische "Sonderbeziehung" hat unter der Clinton-Regierung gelitten, und Bush liegt viel daran, ihr neues Leben einzuhauchen. In Großbritannien hat die freie Marktwirtschaft einen höheren Stellenwert als in anderen europäischen Staaten. Zudem ist der Anteil des britischen Außenhandels mit den USA doppelt so groß wie mit den EU-Staaten.

Für Großbritannien ist die Zusammenarbeit mit den USA attraktiver als mit der EU. Kürzlich fand in Camp David ein privates Treffen zwischen Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair statt, bei dem unter anderem eine mögliche Mitgliedschaft Großbritanniens im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta) diskutiert wurde, dem bislang die USA, Kanada und Mexiko angehören.

Trotz der gespannten Handelsbeziehungen ist und bleibt die europäische Sicherheit Hauptanliegen der US-Außenpolitik. Seit langem nehmen die USA einen großen Teil der militärischen Last für Europa auf sich. Bush fordert erneute "transatlantische Verhandlungen", die darauf abzielen sollen, den Europäern mehr militärische und finanzielle Verantwortung zu überlassen. In diesem Fall würde Bush sehr bald die amerikanischen Truppen aus Bosnien abziehen.

US-Truppenabzug aus Bosnien möglich

Im Moment zeichnet sich allerdings eine Entwicklung ab, die dies verhindern könnte. Republikanische Kongreßmitglieder haben lautstarke Kritik an den Plänen der EU für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik geäußert. Zwei führende republikanische Außenpolitikexperten, die Senatoren Jesse Helms und Gordon Smith, bezeichneten die geplante Euro-Armee als "gefährliche Dynamik der Zersplitterung". Sie warnen, bestimmte Mächte legten es darauf an, "Macht und Einfluß der USA in der Nato zu begrenzen". Zweifellos bezieht sich diese Anspielung auf Deutschland und Frankreich.

"Der russische Präsident Wladimir Putin gehört zu den enthusiastischsten Befürwortern der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – und er setzt sich offen für die Abschaffung der Nato ein", so die Senatoren weiter. "Wir dürfen nicht zulassen, daß auf diesem Weg erreicht wird, was der Sowjetunion nicht gelang: einen Keil zwischen die USA und Europa zu werfen." Bush selber hat sich bisher in der Öffentlichkeit kaum zu der Idee einer "Euro-Armee" geäußert. Gemunkelt wird aber, er teile die Bedenken der beiden Senatoren. Der Krieg, den die Nato in Bosnien führte, hat zudem einen wachsenden technologischen Vorsprung der amerikanischen Streitkräfte gegenüber den europäischen deutlich gemacht. Die Bush-Regierung kann sich einfach nicht vorstellen, daß Europa aus eigener Kraft in der Lage wäre, sich zu verteidigen.

Insgesamt wird die Europapolitik der Bush-Regierung darin bestehen, vorsichtig aufzutreten und dabei einen kleineren Stock und ein breiteres Lächeln zu tragen. Das ist leichter gesagt als getan.

 

Matthew Richer arbeitet als freier Journalist in New York.


 
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