© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/01 16. März 2001

 
Jüdische Gemeinden planen Europaorganisation
Berlin: Michel Friedman kritisiert bei inoffiziellem Treffen deutsche Politiker
Ivan Denes

Politiker sind nicht in dem Maße engagiert, wie sie sagen, daß sie es seien". Mit diesen Worten hat der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland eine Delegation der Konferenz der Präsidenten der wichtigsten amerikanisch-jüdischen Organisationen gewarnt, den Worten des Bundeskanzlers, des Außenministers und des Verteidigungsministers oder des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Glauben und Vertrauen zu schenken.

Mit diesen deutschen Würdenträgern ist nämlich die Delegation während ihres Berlin-Besuches zusammengekommen. Die Konferenz der Präsidenten ist die allgemein als repräsentativ anerkannte Dachorganisation der etwas mehr als sechs Millionen zählenden jüdischen Bevölkerung in den USA.

Die Delegation, geführt von ihrem geschäftsführenden Vizepräsidenten Malcolm Hoenlein, weilte am 17. und 18. Februar in der deutschen Hauptstadt anläßlich einer gemeinsamen Konferenz mit den Vertretern jüdischer Gemeinden aus 18 europäischen Ländern. Ziel der Beratungen war die Umorganisierung der europäischen Gemeinden zwecks Schaffung einer organisatorischen (und kräftemäßigen) "dritten Säule" – neben den USA und Israel. Aus Sicherheitsgründen wurde die Präsenz der Delegation in den deutschen Medien verschwiegen. Lediglich die in New York ansässige Jewish Telegraphic Agency (JTA) durchbrach das Schweigen und brachte einen ausführlichen Bericht über die Gespräche der Delegierten mit den Spitzen der bundesdeutschen Politik. Michel Friedmans zutiefst patriotische Warnung schmückte das Ende des Berichtes.

Aus diesem zweiten JTA-Bericht ließ sich ein bedrückender Schluß folgern: das gönnerhafte Lob, mit dem etwa ein David Harris, Geschäftsführender Direktor des American Jewish Committee (das auch in Berlin eine Außenstelle hat), Deutschland bedachte, veranschaulicht das versteinerte Konzept der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Harris: "Es gibt eine steigende Bereitschaft, die großen Schritte anzuerkennen, die Deutschland unternommen hat, um seine Vergangenheit zu konfrontieren, eine demokratische Gesellschaft aufgrund der Herrschaft des Gesetzes aufzubauen, als Anker der Nato zu dienen und bestrebt zu sein, ein europäisches Deutschland aufzubauen eher als ein deutsches Europa und die Hand der jüdischen Welt und Israel zu reichen." Diese Art der Belobigung kann die Berliner Republik durchaus entbehren. Sie klingt nach überheblicher Schutzmacht und nach hochmütigem Auf-die-Schulter-Klopfen.


 
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