© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/01 16. März 2001

 
Im Lagerkampf aufgerieben
Berlin: Die FDP schwächte ihren nationalliberalen Flügel / Machtkampf an der Spitze
Markus Schleusener

Unruhig wurde es auf dem Landesparteitag der Berliner FDP nur, als einige Altlinke beantragten, die politischen Attacken auf Joschka Fischer einzustellen. Ansonsten herrschte Totenstille bei den Hauptstadtliberalen. Während sich die FDP in den meisten anderen Bundesländern im Aufwind befindet, kann nicht einmal die CDU-Spendenaffäre um Klaus Rüdiger Landowsky den zerrütteten Landesverband beflügeln.

Die internen Auseinandersetzungen und der Generationenwechsel absorbieren sämtliche Kräfte. FDP-Landeschef Günter Rexrodt kämpft mit unvermittelter Härte an seinem Ziel, 2002 ein weiteres Mal als Spitzenkandidat für den Bundestag nominiert zu werden. Andere Positionen hat die Partei anderthalb Jahre nach ihrer bittersten Niederlage in Berlin auch nicht zu vergeben. Im innerparteilichen Machtkampf hat er mehrere Gegner wenigstens vorläufig ausgeschaltet.

Eine Woche vor dem Parteitag konnte er zum zweiten Mal einen wichtigen nationalliberalen Bezirksverband kippen. Der designierte Nachfolger des Tempelhofer Bezirksvorsitzenden Klaus Gröbig unterlag knapp Sophie Charlotte Lenski, einer Vertreterin des linken Parteiflügels. Die durch die Berliner Verwaltungsreform herbeigeführte Fusion zweier Bezirksgliederungen, Schöneberg und Tempelhof, verschob die Machtverhältnisse zugunsten der Linken. Vorausgegangen war eine für FDP-Verhältnisse beträchtliche Eintrittswelle auf beiden Seiten von allein 200 Neumitgliedern im letzten Quartal.

Obwohl die Rechten am Ende knapp die Nase vorn hatten, unterlagen sie, nachdem der Landesvorstand unter Rexrodt mißliebige Mitglieder willkürlich wieder aus der Kartei entfernt hatte. Unzählige Prozesse vor Schiedsgerichten wurden von beiden Seiten eingeleitet. "Das waren perverse Manipulationen", meinte einer der nationalliberalen Delegierten. Die Parteirechten gaben sich dennoch zuversichtlich, das Ergebnis nach den ausstehenden Urteilen revidieren zu können.

Um dem einen Riegel vorzuschieben, setzte Rexrodt auf dem Parteitag am vorvergangenen Wochenende den als unabhängig geltenden Präsidenten des Schiedsgerichts Jahntz ab. Er wurde durch einen Vertreter des linken Freiburger Kreises ersetzt. Jahntz hatte in der Vergangenheit mehrfach gegen den Parteivorstand und im Sinne des rechten Parteiflügels entschieden. Auch die Zahl der rechtsliberalen Bundesparteitagsdelegierten wurde zurechtgestutzt.

Dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Rexrodt droht jetzt allerdings Gefahr von ganz anderer Seite. Sein Nachfolger und Vorgänger als FDP-Chef, Martin Matz, arbeitet mit derselben Energie an einer Kandidatur für den Bundestag. Matz’ Leute haben für Rexrodt die Schlacht gegen die Parteirechten geschlagen. Jetzt verfügen sie über weitere Schlüsselpositionen in der Partei. Hinzu kommt, daß die Nationalliberalen aus Verärgerung über Rexordt ebenfalls ins Matz-Lager überlaufen.

Politischer Gestaltungswille spielt bei der Berliner FDP eine untergeordnete Rolle. Die Thesen zur Bildungspolitik, die den Parteitag eigentlich bestimmen sollten, rissen niemanden vom Hocker. Einzig die Hoffnung auf das eine Bundestagsmandat scheint die Akteure anzutreiben. Und das, so ein Delegierter, "erreicht die Partei auch, wenn sie nur drei oder vier Prozent in Berlin erhält".


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen