© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Blick in die Medien
Qual der Wahl
Ronald Gläser

Eine unabhängige Medienlandschaft entwickelt sich im Rußland des postsowjetischen Zeitalters nur langsam. Der einzige nennenswerte nichtstaatliche Medienkonzern, Media Most, steckt in existentiellen Schwierigkeiten. Das Unternehmen, die Muttergesellschaft des russischen Nachrichtensenders NTV, hat Verbindlichkeiten bei der Investmentbank CS First Boston in Höhe von über einer Viertelmilliarde Dollar. Für die Rückzahlung im kommenden Sommer fehlt den Russen das notwendige Kapital. Einzig der größte Anteilseigner, der Erdgasriese Gazprom, verfügt über ausreichend Devisen, um Konzernchef Wladimir Gusinsky auszuhelfen. Doch wenn die staatliche Gazprom ihren Anteil weiter aufstockt, dann kontrolliert Präsident Putin direkt den einzigen regierungskritischen Medienkonzern. NTV hat sich in der Vergangenheit nicht zuletzt durch seine Berichterstattung über den Tschetschenienkrieg unbeliebt gemacht. Die Behörden reagierten darauf sogar mit der Verhaftung Gusinskys. Dessen anschließende Flucht nach Spanien hat ihm auch nichts genützt. Dank eines Interpol-Haftbefehls sitzt er jetzt an der Costa del Sol unter Hausarrest. Als Retter in der Not ist jetzt der CNN-Gründer und Multimilliardär Ted Turner erschienen, der Gusinsky mit einem 300 Millionen-Dollar-Kredit auszuhelfen bereit ist. Die Motivation Turners ist unklar. Steigt er mit dem horrenden Betrag ein, so würde der US-Konzern Time Warner künftig Media Most kontrollieren. Schwere Zeiten stehen dem unabhängigen russischen Fernsehen also so oder so ins Haus.


 
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