© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Neulich im Internet
Blutige Bytes
Erol Stern

Kaum ein PC-Nutzer kennt sie noch, die gute alte Lochkarte: bis in die Siebziger diente sie als Zähl- und Speichermedium für Volkszählungen, Arbeitszeiterfassung, Industrie und frühes Internet. Unter Führung von Thomas J. Watson entstand 1924 IBM (International Business Machines). Watson war berüchtigt für seine brutale Geschäftspolitik, so wurde auch die Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft, die Dehomag, alsbald einverleibt, die bei der Volkszählung 1933 die Technik für die Auswertung lieferte, wie der amerikanische Autor Edwin Black in seinem Buch "IBM und der Holocaust " jüngst veröffentlichte. Doch ging Watsons Verbindung über eine reine Geschäftsbeziehung hinaus, er selbst galt als Sympathisant der Nazis und regierte auch das eigene Unternehmen vorbildgemäß, allerdings in blauen statt braunen Anzügen, was IBM den Spitznamen "Big Blue" einbrachte. Tausende Lochkartenmaschinen wurden an das Dritte Reich geliefert, spätestens jetzt hätte man (durch katalogisierte Standorte) bei IBM erkennen müssen, daß die auch in KZs gelieferten Geräte nicht nur zu statistischen und militärischen Zwecken genutzt wurden. Nach Kriegseintritt der USA wurde Watson dort immer argwöhnischer beobachtet, jedoch wußte er auch das sich abzeichnende Ende des Zweiten Weltkriegs zu seinen Gunsten zu nutzen. Die Lochkartentechnik war aus der Infrastruktur nicht mehr wegzudenken, so daß ein besetztes Nachkriegsdeutschland nur mit ihr effizient verwaltet werden konnte. Mehr als 2.300 Maschinen nahmen ihren Dienst wieder auf, schaudert Euer Erol Stern


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen