© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Enttabuisierung
Karl Heinzen

Der "starke Auftritt von Jungstar Tomas Rosicky beim 4:2 über Hamburg" hat, so freut sich das "Handelsblatt", den Aktionären von Borussia Dortmund neue Hoffnung gemacht. Ein derartiges Signal war längst überfällig: Seit dem Börsengang im Oktober des vergangenen Jahres ist der Kurs des Papiers nämlich kontinuierlich in den Keller gegangen. War der Club in den 90er Jahren für eine Häufung von Investitionsruinen im Spielerkader berühmt, so drohte er nun, seinem Ruf als Kapitalvernichter auch am Finanzmarkt gerecht zu werden.

Die Verantwortung für den Kursverlauf der BVB-Aktie trägt dabei sicherlich zunächst die Mannschaft. Ihre unsteten Leistungen langten zwar, um sich sozusagen sportlich im Spitzenquartett der Bundesliga festzusetzen. Sie waren aber nicht überzeugend genug, um die Kursphantasien der Anleger anzuregen. Diese wiederum könnten sich aber per se allenfalls auf eine Teilnahme an der Champions League richten: Auf unternehmerische Erfolgsgeschichten, die nicht bloß Konsumenten, sondern auch Investoren Spaß machen, ist der Fußball mit seinen strengen Regeln und seinen überregulierten Turnieren immer noch nicht eingerichtet.

Die Probleme, mit denen die Dortmunder Borussia zu kämpfen hat, sind also nicht bloß solche dieses Vereins. Sie betreffen die gesamte Branche. Wer nicht in der glücklichen Situation von Manchester United ist, bereits vor Saisonbeginn als nationaler Titelverteidiger gelten zu dürfen und mindestens schon für das Halbfinale auf europäischer Ebene planen zu können, entfaltet keine Anziehungskraft auf Anleger, die bei allem Wechselbad von Erfolg und Niederlage, das der sportliche Zufall zwar mit sich bringen mag, doch eine langfristige Perspektive suchen.

Das Gesicht des Fußballs wird sich wandeln müssen, wenn ihm der Übergang von der Ära des Volkssports zu jener der Volksaktie gelingen soll. Dabei wird man um eine einschneidende Deregulierung nicht umhin kommen, um unternehmerischer Initiative den Freiraum zu bieten, dessen sie bedarf. Warum sollen zum Beispiel die nationalen und internationalen Wettbewerbe weiterhin von Monopolveranstaltern angeboten werden? Wäre es nicht stattdessen bedenkenswert, auf allen Ebenen konkurrierende Ligen zuzulassen? Der Markt, also der Zuschauer, könnte dann entscheiden, welche er für die beste hält. Auch sollten Übernahmen zwischen Clubs genauso wenig tabuisiert werden wie die Verlegung ihres Unternehmenssitzes, wenn sich der alte Standort als nicht mehr lukrativ herausstellt. Und schließlich wird man auch darüber nachdenken müssen, ob Spieler nicht auch als freie Mitarbeiter zum Einsatz kommen könnten. Dies böte im Einzelfall sogar die Möglichkeit, daß sie in ein- und derselben Partie je eine Halbzeit lang mal für das eine, mal für das andere Team spielen. Bereit zum Wandel muß aber vor allem der Zuschauer sein. Spaß wird er nur dann erhoffen dürfen, wenn er sich nicht länger als Fan, sondern als Aktionär empfindet.


 
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