© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
Keine Kündigungen linksextremer Konten
Postbank: Die Praxis des Kreditinstitutes bleibt nach Rücknahme der Kündigung gegenüber der JF weiter unübersichtlich
Steffen Königer

Unübersichtlich stellt sich das weitere Vorgehen der Deutschen Postbank AG in ihrer ausgeübten Praxis von Kontenkündigungen dar. Ins Gerede ist die Praxis im Zusammenhang mit der inzwischen zurückgenommenen Kündigung des Hauptgeschäftskontos der JUNGEN FREIHEIT gekommen. Die Frankfurter Allgemeine berichtete daraufhin am 1. Februar, die Bank ginge nicht etwa willkürlich gegen einzelne unliebsame Zeitungen oder Verlage vor, sondern kündige konsequent sämtlichen "extremistischen" Organisationen und Verlagen. Laut FAZ erklärte ein Sprecher der Postbank, daß es sich dabei ausdrücklich auch um linksextreme Verinigungen handele. Namen könne er aufgrund des Bankgeheimnisses nicht nennen, es gehe aber um eine "erkleckliche Anzahl von Konten".

Stützen will sich die Postbank bei ihren Kontenkündigungen künftig allein auf den Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hingegen nicht auf die Berichte einzelner Landesämter. Dies hob die Postbank in einem Schreiben an Leser dieser Zeitung hervor, die gegen die Kontenkündigung gegenüber der JF protestiert hatten. In einem Formschreiben erklärt das Institut: "Für die Auflösung von Konten radikaler Parteien und Organisationen sowie diesen nahestehenden Verlagen (ist) nicht der Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes, sondern ausschließlich der Verfassungschutzbericht des Bundes als Grundlage zu nehmen." Laut Postbank bedienten sich auch andere deutsche Banken dieser Praxis.

Obwohl die Kündigungswelle gegen weitere rechtsgerichtete und sogar konservative Organisationen und Verlage rollt (die JF wird weiter berichten), ist bislang nichts über Kündigungen gegen linksextreme Organisationen oder Verlage bekannt, wie Recherchen der JUNGEN FREIHEIT ergaben.

Im Bundesverfassungschutzbericht von 1999 werden unter anderen folgende linksextreme Parteien, Organisationen und Publikationen aufgelistet: Die Marxistisch-Leninistische Partei (MLPD) mit ihrer Parteizeitung Rote Fahne, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), die Marx-Engels-Stiftung (MES), die Rote Hilfe e.V. und die Wochenschrift Unsere Zeit (UZ), dem Parteiblatt der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

Als eines der ersten gekündigten "rechtsextremen Konten" hatte Postbank-Sprecher Joachim Strunk das "Solidaritätskonto Hehl" genannt, welches für den verurteilten Gewalttäter Christian Hehl von einer Privatperson eingerichtet worden ist (JF 46/00). Eine vergleichbare Zielrichtung, nämlich der Einsatz für inhaftierte Extremisten, nur von links, verfolgt der vom Verfassungsschutz beobachtete Verein "Rote Hilfe", ein eingetragener Verein (laut Satzung als gemeinnützig anerkannt), der auch ein Solidaritätskonto bei der Postbank führt (Nr. 19 11 00-462, Postbank Dortmund). Nur, daß es der "Roten Hilfe" nicht um humanitäre Solidarität geht, wie zum Beispiel der DKP bei einem Projekt auf Kuba, sondern um Spenden, die für nebulöse Aktionen und auch für Inhaftierte, also gerichtlich Verurteilte gesammelt werden. Desweiteren gibt es Bedarf an Geldern für "Sprühen am Kriegerdenkmal", "Störung einer ‘Vertriebenen‘ Veranstaltung" und "Finanzielle Unterstützung für die Gefangenen der RAF". Der "Roten Hilfe" wird im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1999 bescheinigt, "Solidarität auch mit terroristischen Gewalttätern" zu zeigen. Wie ein Anruf in der Zentrale der "Roten Hilfe" erweist, ist von Kontenkündigungen nichts bekannt.

Auch bei den Postbank-Konten der DKP sind Kündigungen ebenfalls bislang nicht vorgekommen. DKP-Parteivorstandsmitglied Frauke von Rosmaten äußerte sich erstaunt: "Was hätten die denn für Gründe dafür?"

Selbst bei der MLPD-Parteizeitung Rote Fahne scheinen generell Kontenkündigungen die große Ausnahme zu bilden. 1995 kündigte hier die Deutsche Bank, man protestierte heftig – der Vorgang wurde rückgängig gemacht.

Ein Mitarbeiter der Pressestelle des Bundesverbandes der PDS in Berlin erklärte, daß bis heute keine Kündigungen von Konten der linkssozialistischen Partei vorliegen.

Nicht auszuschließen ist, daß die Postbank inzwischen aufgrund anhaltender Proteste aus der Bevölkerung ihre eingeschlagene Praxis politisch motivierter Kontenkündigungen generell überdenkt und vielleicht mit der Rücknahme weiterer Kündigungen zu rechnen ist.


 
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