© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Zeitschriftenkritik: Stimmen der Zeit
Fest im Glauben verwurzelt
Werner Olles

Im 126. Jahrgang (!) erscheinen nunmehr die Stimmen der Zeit, und als 219. Band liegt die aktuelle Ausgabe 1/2001 vor. Herausgegeben von Mitgliedern des Jesuitenordens, werden hier vor allem Fragen des Glaubens und der Kirche diskutiert, aber die Redakteure und Autoren setzen sich auch gut verständlich und auf einem anspruchsvollen Niveau mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinander oder debattieren fachübergreifend über Kunst und Literatur, Wissenschaft und Ethik. Jenseits fundamentalistischer Überlegungen fordert man "einen offenen Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft", sucht das "interdisziplinäre Gespräch" und begegnet den Ansichten Andersdenkender mit "Aufgeschlossenheit und Respekt".

Daß eine solche Haltung nicht mit zeitgeistiger Beliebigkeit verwechselt werden darf, wird jedoch bei der Lektüre der Beiträge schnell klar. Was hier zu Themen wie "Islamischer Religionsunterricht", "Grenzen der Konsensökumene", "Die Religiosität der Deutschen" oder "Erziehen statt vergöttern" geschrieben wird, könnte man durchaus als "politisch nicht sonderlich korrekt" bezeichnen. So plädiert beispielsweise Bernhard Grom SJ für "einen nicht verwöhnenden Erziehungsstil", Paul Valadier SJ fragt: "Wie aktuell ist Nietzsche?" und ist erstaunt über dessen "Hellsichtigkeit" bezüglich Integrismus, Fundamentalismus, dogmatisierten Glaubenseinstellungen und der "Zunahme des wilden Suchens nach dem Göttlichen". Johannes Müller SJ konstatiert den widersprüchlichen Effekt der Globalisierung, die den Trend sowohl zur "Universalisierung der Menschenrechte als auch McDonalds" fördere. Andererseits fürchtet er – wohl nicht zu Unrecht – daß "das Erstarken ethnischer, kultureller, religiöser und nationalistischer Gruppen und Bewegungen, welche die eigene Identität betonen und sich bewußt von anderen Kulturen und Überzeugungen absetzen, ein erhebliches Konfliktpotential in sich birgt".

Solche Einsichten, die notwendigerweise nie an ihr Ende gelangen können, mögen in der Tat auch für viele Christen beunruhigend sein, dennoch war es in der Geschichte der Kirche immer so, daß sie gerade dann erstarkte, wenn sie äußerem Druck ausgesetzt war und daß die Frömmigkeit und das Gemeinschaftsleben in den Gemeinden deutlich anwuchsen, wenn das kirch-liche Leben angegriffen wurde. Gerade der sogenannte interreligiöse Dialog und die gegenseitige Vetrautheit haben der katholischen Kirche heute viel von ihrem Volkskirchen-Charakter genommen.

Stimmen der Zeit folgt auch den Spuren der Transzendenz in den Werken von Hans Magnus Enzensberger und Botho Strauß. Besonders letzterer kritisiere den kollektiven Materialismus, wenngleich er auch oft unversöhnliche, gar hochfahrende Töne anschlage, wenn er die Diskurse einer "sekundären Welt", die Sinnsuche ausblende und eine Gesellschaft geißele, die ihre sozialen Muster verloren und religiösen Bindungen aufgegeben habe. Hat aber nicht schon der Apostel Paulus im Römerbrief den Gläubigen geraten: "Stellet euch nicht dieser Welt gleich!"

Anschrift: Herder-Verlag, Hermann-Herder-Str. 4, 79104 Freiburg. Halbjahresabo: 87 Mark (Studenten: 63 Mark)


 
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