© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Das Ende der Erdölvorräte ist in Sicht
Umwelt: Das Wirtschaftsministerium präsentiert Fakten zu Gegenwart und Zukunft der Energieversorgung
Volker Kempf

Was die Bundesministerien so alles an sogenannten Informationsbroschüren anbieten: Einmal handelt es sich um ein Werbeblatt des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, aus dem Jürgen Trittin eitel hervorlächelt, aber nur wenig informiert. Ein andermal präsentiert das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Broschüre, in dem die bestehende Nutztierhaltung beschönigt wird, damit der Name des damaligen Ministers Karl-Heinz Funke (SPD) wieder glänzen möge.

Wie Triebe absterbender Tannenbäume hingen etliche Exemplare dieser Broschüre mit dem Namen Funke darauf zur Jahreswende in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn AG aus. Mittlerweile ist, um im Bilde zu bleiben, der Baum gefällt oder vielmehr morsch geworden und eingeknickt. Eine andere Broschüre legte noch im Jahr 2000 das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, das dem Minister Werner Müller (SPD) untersteht, vor. "Zahlen und Fakten" steht darauf geschrieben, ebenso die Überschrift "Energie Daten 2000. Nationale und internationale Entwicklung." Leere Versprechungen sind dies nicht.

Die 70 Seiten (im A4-Format) aus dem Bundeswirtschaftsministerium sind voller Zahlen, daß es einem schwindelig werden kann. Sparen die einen mit Fakten, so erschlagen die anderen einen damit. So ist aus besagter Broschüre zu entnehmen, daß bei der Einfuhr der Kohle nach Deutschland in 1.000 Tonnen gerechnet in den Jahren 1991 bis 1998 Polen und Südafrika führten, gefolgt von Kolumbien und Australien. Auch ein internationaler Vergleich energiebedingter CO2-Emissionen fehlt nicht: Im Zeitraum von 1990 bis 1998 legte Afrika (jeweils in Mill. Tonnen) von 675 auf 826 zu, Nordamerika einschließlich Mexiko von 6.214 auf 6.897 (die USA allein von 5.461 auf 6.032), Südamerika von 712 auf 931, Asien mit Ozeanien von 5.646 auf 7.290 (darunter China von 2.452 auf 3.027 und Japan von 1.179 und 1.288); die sechs größten Länder der EU legten von 3.731 im Jahre 1990 auf 3.822 zu. Deutschland kann dabei im besagten Zeitraum – vor allem dank der zusammengebrochenen DDR – eine Schrumpfung der CO2-Emissionen von 1.029 auf 924 Millionen Tonnen vorweisen. Auch das übrige Europa, darunter viele ehemalige Ostblockstaaten sowie die frühere Sowjetunion weisen Zahlen mit deutlich abnehmender Tendenz auf, woraus zu lesen ist, daß schlechte Wirtschaftsdaten gut für die Emissionswerte in Sachen CO2 sind. Der Mittlere Osten entwickelte sich demnach prächtig, weist er schließlich Emissionswerte von 728 im Jahre 1990 und von 1.027 für 1998 auf. Damit ergibt sich ein Gesamtbild von einem CO2-Ausstoß von weltweit 22.682 (1990) zu 24.790 (1998). Daran konnten die hehren Klimaziele, die auf internationaler und nationaler Ebene immer wieder formuliert wurden, nichts ändern, weshalb Jürgen Trittin denn auch gut beraten war, in seiner Beschönigungsbroschüre mit Daten und Fakten zu geizen. So ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie letztlich bei dem zentralen Umweltthema Treibhauseffekt informativer als das, was das Bundesumweltministerium an Infomaterial zur Verfügung stellt. Es wird sogar – faktenreich versteht sich - erklärt, was der Treibhauseffekt ist: "Der natürliche Treibhauseffekt wird von Gasen – u. a. CO2 – in der Atmosphäre hervorgerufen. Wasserdampf ist mit 66 Prozent am Gesamttreibhauseffekt beteiligt, gefolgt von Kohlendioxid (CO2) mit 29 Prozent, und Ozon, Stickoxid und Methan schlagen mit 5 Prozent zu Buche. Diese Gase lassen die kurzwellige Sonnenstrahlung nahezu ungehindert zur Erde passieren, halten aber einen Großteil der langwelligen Wärme-Rückstrahlung der Erdoberfläche zurück." Weiter ist zu erfahren, daß derart zum natürlichen Treibhauseffekt ein zusätzlicher hinzukommt, der dann weitreichende Folgen haben dürfte. Angeführt werden Dürren und Überschwemmungen, hinzufügen könnte man die Zunahme von schweren Stürmen.

Der Energieverbrauch ist letztlich eng mit Umweltschädigungen verbunden. Die Stromerzeugung durch Verbrennung von Öl ging unterdessen aber zurück, diejenige mit Gas stieg; vor allem aber wuchs die erzeugte Energieleistung durch alternative Techniken wie Windkraftanlagen und Fotovoltaik von 208 Petajoul (also 208 Billiarden, in Zahlen 218.000.000.000.000.000 Joul, wie dem Glossar zu entnehmen ist) im Jahre 1990 auf 358 im Jahr 1999 an. Das sind gemessen am gesamten Primärenergieverbrauch von 14.194 Petajoul im Jahre 1999 allerdings immer noch nur Peanuts. Und wer wissen will, in welchem Land wie viel Geld für Strom bezahlt werden muß, wird ebenfalls fündig: Besonders günstig kommen die Verbraucher in den USA weg, zahlen sie schließlich nur 0,082 US-Dollar pro Kilowattstunde. Spitzenreiter ist hingegen Dänemark, dort muß man für die gleiche Menge Strom 0,17 US-Dollar, also mehr als das Doppelte zahlen. Deutschland liegt innerhalb der EU im oberen Mittelfeld mit 0,139 US-Dollar pro Kilowattstunde. Nicht fehlen dürfen gegen Ende des Heftes Tabellen mit Daten über die Energiereserven der Welt. Dabei wird die Reichdauer der Erdölvorräte bei gegenwärtiger Fördermenge auf 42 Jahre beziffert. Die Erdgasvorräte reichen angeblich, wenn alles weiterläuft wie gehabt, noch 65 Jahre, Kohle 169 Jahre. Wie diese an sich noch recht nackten zahlen zu interpretieren sind, wird zudem kurz erläutert: "Prognosen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 keine grundsätzlichen Engpässe bei der Verfügbarkeit kostengünstiger Energiereserven in Sicht sind. Zudem mußten alle Vorhersagen in der Vergangenheit immer wieder nach oben verschoben werden." Noch 1979 habe man geglaubt, so ist zu erfahren, daß die Ölvorräte bis 2006 erschöpft seien. Aber auch die vorliegende Prognose gehe von aktuellen Gegebenheiten aus und unterliege den Korrekturen der Realität, etwa durch technologischen Fortschritt bei der Erschließung sowie bei der Preisentwicklung. Bei steigenden Marktpreisen werde es eher früher als später wirtschaftlich sein, bisher teure Energievorkommen zu erschließen. Auch wird, worauf nicht eigens hingewiesen wird, durch Preissteigerung im Zuge der Erdölverknappung und durch Ökosteuern der sparsame Umgang mit Energie forciert; dadurch werden Ressourcen geschont. Dies hilft aber nicht darüber hinweg, daß sich Deutschland auch in Zukunft, wie es weiter heißt, auf wenige Lieferländer konzentrieren muß. Dies berge Liefer- und Preisrisiken. Die Versorgungslage bei Erdöl, Gas und Kohle bleibe Mittelfristig, das heißt in den nächsten 20 Jahren, entspannt, ist sich das bundeswirtschaftsministerium sicher. Letztlich müsse aber vergegenwärtigt werden, daß die fossilen Brennstoffe nicht erneuerbare Ressourcen seien, die auch längerfristig, sogar für weitere Generationen zur Verfügung stehen sollten. Dies ist freilich leichter gesagt als getan. Insofern enden hier auch die Überlegungen in der an sich sehr aufschlußreichen Broschüre.

Die verständig aufbereitete Informationsbroschüre "Energie Daten 2000" ist kostenlos erhältlich und kann angefordert werden beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Referat Öffentlichkeitsarbeit/Versand, Postfach 30 02 65, 53182 Bonn.


 
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