© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Dehmlichkeit
Karl Heinzen

Das Foto zeigt einen etwas übertrieben lächelnden Mann. Glücklich hält er ein Flugblatt in Händen, auf dem man neben dem PDS-Logo eine Hanfpflanze sieht. So etwas hätte einem damals, vor 35 Jahren, als der Mann noch jung war, ganz schönen Ärger an der Schule einhandeln können. So richtig frech muß er sich daher heute vorkommen. Endlich. "Ich habe es gewagt!" Fast möchte man es gemeinsam mit ihm seinen toten Lehrern ins Grab hinterher rufen.

Der Mann heißt Dieter Dehm. Er ist der Entertainment-Profi der PDS. Er weiß, wie man Medienereignisse inszeniert. Daher inszeniert er auch das ganz kleine, für das er ausnahmsweise einmal selber gesorgt hat. Weil man nicht weiß, wann sich solch eine Chance wieder bietet, darf man da ruhig ein klein bißchen pedantisch sein. Deshalb hängen im Hintergrund auch ganz viele Fotos, die wichtige Lebensstationen dieses Prominenten zu zeigen scheinen. Früher hat er gesungen, hat er unter dem Namen "Lerryn" eine Art Trash-Folk für Lichterketten kreiert. Vielleicht ist ja auch aus dieser Zeit ein Schnappschuß dabei? Da die Fotos sehr klein sind, muß man sie aber schon kennen, um etwas auf ihnen erkennen zu können. Am Bildrand scheint eine Autogrammkarte von Kati Witt zu sehen zu sein, der angejahrten Glamour-Ikone der DDR. Die kennt der Dehm. In der Mitte stiert aus einem Poster einer, von dem jedoch wirklich alle gehört haben. Die engen Vertrauten nennen ihn Che, und ihnen wird ganz anders, wenn sie sich ausmalen, wie sexy sie sein könnten, wenn sie so wären wie er war. Da Che Pop ist und der Dehm weiß, wie man mit Pop umgeht, ist es nur fair, beide gemeinsam abzubilden. Hätte Che bloß länger gelebt und hätte er auch noch gesungen (oder wäre er als Schlittschuhläufer berühmt geworden), dann hätte ihn der Dehm sicher promotet. Vielleicht wäre er ja sogar zusammen mit Wolf Biermann aufgetreten! Wer weiß, wer weiß.

Der Afiçionado Che, immerhin war er so etwas wie der Rudi Assauer der lateinamerikanischen Guerilla, scheint den Dehm aber nicht zu interessieren. Der Dehm will, daß sich die Menschen bescheiden. Daher sollen sie keine richtigen Drogen nehmen, sondern bloß eine, die sie dafür halten. Eine, die zwar, wenn man nicht sowieso schon betrunken ist, ziemlich wirkungslos bleibt, gerade wegen ihres geringen Genußwertes aber auch niemanden in Abhängigkeit stößt. Cannabis, der Dehm weiß hier sogar zwischen Dope und Gras zu differenzieren, ist genau das richtige Mittel, um erlebnisarmen und leichtgläubigen Menschen den Eindruck zu vermitteln, das wäre sie nun, die Ekstase. Legal sollte es nur sein, dann müßte man sich als Vater zweier Kinder nicht ständig Gedanken machen. Warum bleibt also das, was die jungen Leute sowieso tun, immer noch verboten? Richtig aufregend ist das, so festzustellen, wie sich die Gesellschaft von selber entwickelt hat, unser Denken und unser Recht aber nur langsam folgen können! Das war mit dem Sex vor dreißig Jahren doch nicht anders!


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen