© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Der Freiheit eine Gasse
Der steinige Weg einer kritischen Presse in Deutschland
Dieter Stein

Stellen Sie sich einmal vor, Sie spielten "Mensch ärgere Dich nicht", dieses schöne Würfelspiel, mit denen sich Familien mit Kindern am Wochenende die Zeit vertreiben. Auf einem Spielbrett hat jeder Spieler vier Figuren und soll sie möglichst schnell "nach Hause" bringen. Die Mitspieler dürfen sich gegenseitig "rausschmeißen". Wie fänden Sie es, wenn Sie der einzige von den Mitspielern sind, der erstens einen Würfel ohne Sechs hat, zweitens zwei Figuren weniger hat und drittens andere nicht "rausschmeißen" darf?

Oder ein anderes Beispiel: Sie spielen "Monopoly", bei dem es um die hemmungslose Bereicherung auf Kosten der Mitspieler geht. Sie müssen versuchen, möglichst viele Straßen zu kaufen, Häuser zu bauen und die anderen Mitspieler durch überteuerte Mieten in den Ruin zu treiben. Wie würde Sie wohl reagieren, wenn Ihre Sprößlinge Ihnen erklären, Sie dürften nur die billige "Bad-" und "Turmstraße" kaufen, lediglich jeweils ein Haus bauen und obendrein müßten Sie alle Mitspieler auch noch gratis wohnen lassen? Das Spiel flöge in hohem Bogen aus dem Fenster.

Nicht anders aber, dafür mit tödlichem Ernst werden die Spielregeln eines freiheitlichen Rechtsstaates und einer bürgerlichen Demokratie durch ein Klima der "Political Correctness" außer Kraft gesetzt, in dem einige bestimmen wollen, wer exklusiv politisch diffamiert und diskriminiert werden darf.

Der Fall "Postbank und JUNGE FREIHEIT", der in der vergangenen Woche bundesweit Schlagzeilen machte, ist nur die kleine Spitze eines Eisberges, mit dem wir es bei diesem eklatanten Mißstand zu tun haben. Und es ist ein Politikum, daß es der JUNGEN FREIHEIT gelungen ist, einen eisernen Ring politisch-korrekter Quarantäne zu sprengen, der exemplarisch über diese Zeitung verhängt wurde, weil sie in unbotmäßigerweise Woche für Woche einfordert, daß die politischen Spielregeln in dieser Demokratie eingehalten und kritische Stimmen auch gehört werden, wenn sie nicht, wie üblich, von "links" kommen, sondern von "rechts". Daß ein unbequemer Autor, der bei FAZ, Welt oder Süddeutscher Zeitung als intelligenter konservativer Kopf in Ungnade gefallen ist, nicht verstummt, sondern eine Plattform findet, auf der er seine Texte in angemessener Weise publizieren kann.

Die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT ist von Anfang an eine Zeitung gewesen, die zu nichts anderem ins Leben gerufen worden ist, um eine publizistische Lücke zu füllen, die unter einem politisch-korrekten Konformitätsdruck entstanden ist. Daß diese Lücke nicht von einem der angestammten Verlagshäuser, sondern von einer Gruppe junger Hasardeure gefüllt wurde, die aus einer 1986 gegründeten Schüler- und Studentenzeitung auf eigene Faust eine "Wochenzeitung für Politik und Kultur" aus der Hauptstadt Berlin machten, sorgte für besonderes Mißtrauen und Neid.

Die Presselandschaft in Deutschland besteht schließlich – wie einst der wilde Westen – aus Claims, die mittlerweile eine Handvoll Großverlage unter sich aufgeteilt haben. Kleine, selbständige Tages- und Wochenzeitungen wurden nach der harten Monopoly-Logik plattgemacht, aufgekauft, ausgeschaltet, eingemeindet. Neues wird durch Schweigekartelle im Keim erstickt.

Politische Macht und Medien-Macht stehen in den modernen westlichen Demokratien in einem ambivalenten Verhältnis. Eng ineinander verschlungen ringen sie darum, wer "erste Macht" im Staate ist. Blattmacher kokettieren damit, Politiker "aufzubauen" und auch wieder zu entmachten. Man ist stolz, wenn man durch eine "Geschichte" einen Minister zum Sturz gebracht hat.

Andererseits entziehen sich immer weniger Verlage einem politischen Konsens-Zwang. Neue Zeitungen, aber auch neue politische Kräfte könnten ein eingespieltes System von Geben und Nehmen zwischen großen Parteien und großen Verlagen nur stören. Man kennt sich, man weiß, mit wem man es seit Jahren zu tun hat. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

So erleben wir das Schattenboxen um Merkel und Merz, um Boris und Babs, um Fischer und Trittin. Ermüdend drehen die großen Blätter Pseudokontroversen, schalten aber Grundsatzfragen im Einvernehmen mit einer handlungsunwilligen Politik aus, wenn sie an selbstauferlegte Tabus stoßen: Was tun gegen den massiven Geburtenschwund? Warum findet Massen-einwanderung statt, wenn es die Deutschen mit erdrückender Mehrheit nicht wollen? Wie kann das Prinzip der Liberalisierung und Öffnung der Märkte auf ein politisches System übertragen werden, das in seiner Realität undurchlässig und unbeweglich geworden ist – beispielsweise durch mehr direkte Demokratie und Deregulierung der Parteienmonopole?

Der erfolgreiche Protest gegen die Kündigung des Hauptgeschäftskontos der JUNGEN FREIHEIT durch die Postbank hat eine grundlegende Bedeutung, wenn die hier gezeigte Zivilcourage keine Eintagsfliege ist, sondern Schule macht.

Die JUNGE FREIHEIT wird nach wie vor auf einer Reihe wirtschaftlich entscheidender Felder diskriminiert, so daß es an ein Wunder grenzt, daß diese kritische Stimme noch nicht verstummt ist:

? Seit dem Wochenzeitungsstart werden Kioskbetreiber und Grossisten durch linksextreme Gruppen, zum Teil unterstützt aus Teilen der PDS, Grünen, der SPD und mit Billigung von namhaften Zeitungen und Verlagen unter Druck gesetzt, die JUNGE FREIHEIT nicht frei zu verkaufen. Folge: Die JF ist meist gar nicht, wenn überhaupt, oft nur unter der Ladentheke als "problematisches Blatt" erhältlich.

? Gestützt werden diese Boykotte durch einen staatlichen Grundrechtseingriff: Die Postbank verwies zuletzt auf die skandalöse Erwähnung der JF im Verfassungsschutzbericht des SPD-regierten Landes Nordrhein-Westfalen. Kaum bekannt ist, daß die JF seit fünf Jahren, vertreten durch Manfred Brunner, einen aufwendigen Prozeß gegen das Land führt und in zweiter Instanz seit vier Jahren auf die Zulassung der Berufung vor dem OVG Münster wartet. Die rufschädigenden Folgen des schwebenden Vefahrens sind kaum zu ermessen.

? Marktdominierende Zeitungsverlage weigern sich, Anzeigen der JUNGEN FREIHEIT zur Abonnentenwerbung anzunehmen. Hierzu gehören insbesondere auch die Zeitungen Welt und Welt am Sonntag, die auf Weisung der Verlagsleitung JF-Anzeigen ablehnen müssen. So werden wesentliche Wege der Lesergewinnung abgeschnitten, die Zeitung muß Leser wie in einer Diktatur auf dem Samisdat-Wege werben.

Ohne die Solidarität politisch wacher undcouragierter Leser, hätte die JUNGE FREIHEIT diesen ungleichen Kampf längst verloren.

 

Dieter Stein ist Geschäftsführer und Chefredakteur der JUNGEN FREIHEIT.


 
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