© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/01 02. Februar 2001

 
Zu früh am Stuhl gesägt
Sachsen: Finanzminister und Kronprinz Georg Milbradt wurde entlassen
Paul Leonhard

Hätte er sich nur den Rat von Ex-Innenminister Heinz Eggert zu Herzen genommen und am Ufer der Elbe gewartet, bis ein Gegner nach dem anderen hinuntergetrieben kommt. So aber ist Sachsens Finanzminister Georg Milbradt im Freistaat unter die Räder gekommen. Im Intrigenkampf ist der 55jährige seinem Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf somit am Ende unterlegen. Am Dienstag entließ Biedenkopf den bisher als Thronprinz geltenden Milbradt, weil dieser versucht hatte, die Weichen für den Machtwechsel zu stellen. Nachfolger Milbradts soll der bisherige Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Thomas de Maizière, werden.

Eröffnet wurde das Ränkespiel mit der kurzfristigen und vor allem "König Kurt" völlig überraschenden Kandidatur der Landtagsabgeordneten Horst Metz und Uwe Grüning gegen den von Biedenkopf inthronisierten CDU-Fraktionschef Fritz Hähle. Eigentlicher Drahtzieher, so vermuteten Insider sofort, ist Milbradt. Denn mit dem Sturz Hähles wäre für den Minister der Weg zum Vorsitz der Sachsen-Union freigewesen. Mit knapper Not und nur, indem er der unzufriedenen Fraktion unverhohlen drohte, erreichte Biedenkopf die Wiederwahl Hähles. Um die Abgeordneten einzustimmen, hatte er eine von der Staatsregierung in Auftrag gegebene Emnid-Umfrage zwei Tage eher als ursprünglich geplant veröffentlichen lassen. Die verdeutlichte den Christdemokraten, was sie ohne den sich in der Wählergunst sonnenden Biedenkopf sind: auf dem absterbenden Ast.

Als zweiten Schachzug gab Biedenkopf eine Forderung Milbradts bekannt, die dieser ihm im in einem internen Gespräch mitgeteilt haben soll: Hähle soll weg. Gleichzeitig bot der Ministerpräsident an, 2003 vorzeitig zurückzutreten, um seinem Nachfolger die Chance zu geben, sich bis zu den nächsten Landtagswahlen zu profilieren. Zudem bezeichnete er in der vergangenen Woche am Rande einer Klausurtagung in Leipzig Milbradt als "miserablen Politiker", der "einen Fehler nach dem anderen" mache, sobald er sein Fachgebiet verlasse. So ist es dem erfahrenen Altpolitiker im Handstreich gelungen, Milbradt politisch abzuservieren.

Aber auch Biedenkopf hat aus der jüngsten Krise erhebliche Blessuren davon getragen. War in Regierungskreisen noch im Frühjahr 2000 die vom Dresdner Bundestagabgeordneten Arnold Vaatz angestoßene Kontroverse um die Biedenkopf-Nachfolge als "Diskussion zur Unzeit" bezeichnet worden, ist sie nun tagesaktuell. Schließlich laufen derzeit die Verhandlungen über Länderfinanzausgleich und Solidarpakt, die für Biedenkopf jene wichtigen Vorhaben sind, die er selbst noch als Ministerpräsident bewältigen will.


 
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