© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/01 02. Februar 2001

 
PRO&CONTRA
Ist Prostitution sittenwidrig?
Hartmut Steeb / PDS-Bundestagsfraktion

Längst sind die ethischen Dämme in unserem Land gebrochen: Die Kindestötung im Mutterleib als Gewaltakt gegen Ungeborene ist zum unaufgeregten Tagesgeschäft geworden. Gewaltdarstellungen und Pornografie in den Medien samt dem seelischen Striptease lassen wir uns täglich vorsetzen.

Wenn nun weiter zwar die Ehe- und Familienförderung im Staat zurückbleibt, aber auf der anderen Seite gar die Prostitution zum anerkannten Beruf werden soll, wird damit konsequent weiter an der systematischen Zerstörung der christlichen Wertordnung gearbeitet. Denn nicht selten ist Prostitution übelste materielle Ausbeutung. Frauen werden zu Prostitutionszwecken verschleppt und aufs schlimmste mißhandelt. Aber selbst dort, wo sie anscheinend aus freiem Willen geschieht, bedeutet sie immer eine üble seelische Mißhandlung, sowohl der Prostituierten als auch der Partner derer, die Prostitution in Anspruch nehmen: der jetzigen und künftigen Partner und Ehepartner. Weil sich Prostitution gegen Liebe, Ehe und Treue richtet, darf sie nicht als Beruf Anerkennung finden. Vielmehr ist die Hilfe für Aussteiger angesagt, die konsequente Strafverfolgung der Mädchen- und Frauenhändler, der Schlepperbanden und des Sextourismus nach Übersee. Und schließlich muß man den zwei häufigsten Argumenten für die Anerkennung als Beruf kräftig widersprechen: Da wird gesagt, daß es sittenwidrig sei, einerseits Steuern zu erheben, andererseits aber die berufliche Anerkennung zu versagen. Das ist irrsinnig. Auch sonst besteht selbstverständlich für Gelderwerb aus sittenwidrigen Geschäften Steuerpflicht, sowohl für Wucherpreise als auch für Geldgewinne aus Drogengeschäften und Hehlerei. Das zweite Argument bezieht sich auf die gesellschaftliche Realität, die schon immer eben auch Prostitution gekannt habe. Auch das ist als Argument unbrauchbar. Auch wenn es schon immer Diebe und Räuber gab und auch immer geben wird, sollte eine Gesellschaft, die sich nicht selbst zugrunde richten will, solches nicht als Beruf anerkennen, und auch nicht die Hehlerei und andere Schwarzgeldgeschäfte.

 

Hartmut Steeb ist Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz in Stuttgart.

 

 

Die Anzahl der Frauen, die heute in der Bundesrepublik Deutschland als Prostituierte tätig sind, wird auf 400.000 geschätzt, zur Zahl ihrer männlichen Kollegen gibt es bislang keine Angaben. Der Umsatz in diesem Bereich beträgt etwa 12,5 Milliarden Mark im Jahr. 1,2 Millionen Männer nehmen täglich die Dienste von Prostituierten in Anspruch. Dennoch bleibt dieser Tätigkeit und anderen Tätigkeiten auf dem Sektor der sexuellen Dienstleistungen, wie Telefonsex, Internetsex etc., die rechtliche Anerkennung versagt. Es fehlt nicht nur die rechtliche Anerkennung – eine hemmungslose Diskriminierung derjenigen, die im Bereich der Prostitution arbeiten, durchzieht Rechtsprechung und Gesetz.

Die aktuelle Situation ist von Widersprüchen gekennzeichnet. Die Rechtslage wird von dem Verdikt der Sittenwidrigkeit und dem Verdikt der Gemeinschaftsschädlichkeit geprägt. Der Maßstab für den Begriff der guten Sitten ist nach einer vom Reichsgericht im Jahre 1901 entwickelten Formel "dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" zu entnehmen.

1) Die Einstufung als gemeinschaftsschädlich beruht in erster Linie auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das im Jahre 1965 in einer bis heute nicht korrigierten Entscheidung die Prostitution mit der Betätigung als Berufsverbrecher gleichgestellt hat.

2) Prostitution wird von der Rechtsprechung nach wie vor nicht als grundrechtlich geschützter Beruf im Sinne von Artikel 12 Grundgesetz anerkannt. Auf diesem Mangel beruht eine umfassende Diskriminierung, die in der Strafbarkeit jeglichen Managements von Prostitution sowie der rechtlichen Ungleichbehandlung von Prostituierten in den verschiedensten Bereichen zum Ausdruck kommt.

 

Auszug aus einem Gesetzentwurf der PDS-Bundestagsfraktion zur beruflichen Gleichstellung von Prostituierten.


 
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