© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001

 
CD: Rock
Treu geblieben
Holger Stürenburg

Die fünfköpfige kanadische Band Saga gilt als eine der langlebigsten Institutionen der Rockgeschichte. Seit über 22 Jahren in Originalbesetzung unterwegs, stehen die Jungs um Michael Sadler für klassische Rockmusik mit symphonischen Einsprengseln. Zwar sind ihre großen Hitzeiten vorüber, aber Saga haben nichts von ihrem Gespür für Melodie und Härte zugleich oder von ihrer Spielfreude verloren. "House of Cards" heißt ihr siebzehntes Opus, das am 12. Februar bei Steamhammer/SPV erscheint.

Auf den ersten Blick unterscheidet "House of Cards" sich kaum von seinen Vorgängern. Saga sind ihrem gewohnten Stil, einer Mischung aus stakkatohaften Gitarren und ausgiebiger Keyboardvirtuosität, treu geblieben. Dennoch werden harte Rocker wie "The Run-away", "Once in a Lifetime", "God knows", epische Popnummern wie "Money talks" oder urbane, düstere Songs wie "Only Human" niemals langweilig. Michael Sadler, Jim Crichton, Ian Crichton, Jim Gilmour und Steve Negus haben es erneut geschafft, unmißverständliche Saga-Sounds zu kreieren und dabei immer wieder interessante Ideen, neue Rhythmen und intelligente Harmoniefolgen in ihre Lieder einzubauen, so daß man zwar erkennt: "typisch Saga", aber trotzdem brandneue Entdeckungen beim Hören machen kann.

Anfang der Achtziger galten die fünf Kanadier als große Hoffnung des Artrock, als legitime Nachfolger von Yes, King Crimson oder Emerson, Lake & Palmer. Weniger episch-lang als ihre Vorbilder, durchaus ab und zu poppig-eingängig, schufen Saga einst nervöse Hymnen wie "On the Loose", knackige Rocker der Sorte "Wind him up" oder "How long", gemischt mit Cars-ähnlichen Waveanklängen und klassischem Gitarrenrock. 1982/83 gelang Saga in Deutschland der große Durchbruch mit ihrem Livealbum "In Transit" und dem hervorragenden Studiowerk "Heads or Tales" mit der Hit-Single "The Flyer". Ihre hiesigen Konzerte fanden in den größten Hallen statt und waren durchweg ausverkauft. 1985 folgte das Popalbum "Behaviour" mit der ebenfalls sehr gelungenen Single "What do I know", bevor Ende der Achtziger der klassische Rock an Bedeutung verlor und mit ihm leider auch Saga. Deren Alben in den Neunzigern – CDs wie "Generation 13" oder "Pleasure and Pain" – gingen schlicht unter, weil sie nicht den typischen "Saga-Sound" beinhalteten, sondern moderne, oft sehr poporientierte Klänge, mit denen die eingeschworene Fangemeinde nichts anfangen konnte. Hierzulande aber blieben Saga trotzdem eine beliebte Liveband, die Jahr für Jahr durch die Hallen tourte und mit bis zu dreistündigen Konzerten begeisterte – auch wenn es mit CD-Verkäufen haperte.

1999 gab es plötzlich wieder Typischeres auf dem Album "Full Circle", das thematisch wie klanglich an die großen Erfolge anknüpfen konnte. Michael Sadler wirkte frischer, jünger und aktiver denn je. Und genau diese "neue, alte" Linie setzt die Band jetzt mit "House of Cards" erfolgreich fort. Die Gitarren klingen härter denn je, obgleich bei einigen Stücken sogar häufiger eine folkige Akustikklampfe zum Zuge kommt ("Once in a Lifetime"). Sadlers kräftiges Organ kommt so nervös und eindringlich rüber wie seit Jahren nicht mehr, Jim Gilmour bearbeitet in altvertrauter Weise die Keyboards, und Ian Crichton peitscht die Gitarre durch die meist schnellen, vertrackten Kompositionen. Es fällt schwer zu sagen, welcher der elf neuen Saga-Songs besonders heraussticht. Sämtliche Nummern sind zeitlose, eingängige Rockhymnen, die zeigen, daß die Band nichts von ihrer einstigen Frische und ihrem kompositorischen Geschick eingebüßt hat. Eingefleischte Saga-Fans werden sich "House of Cards" ohnehin zulegen und können es sicher auch kaum erwarten, eines der fast zwanzig Konzerte zu besuchen, die die Band im Rahmen ihrer Deutschlandtournee im April diesen Jahres präsentiert. Aber auch andere Freunde guter, ehrlicher Rockmusik sollten sich die CD zulegen.


 
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