© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
UMWELT
Respektable Katastrophe
Volker Kempf

Vom ländlich geprägten Düsselorfer Norden aus gesehen kann man gen Duisburg blicken und sieht am Horizont die Schornsteine qualmen. Am Montagabend voriger Woche war eine Rauchfahne besonders groß und schien zudem, wie andernorts eine Kirche, von Scheinwerfern orangefarben erleuchtet zu sein.

Soll das eine touristische Attraktion sein? Bei genauerem Hinsehen sah man ein Feuer lodern. Es war ein Feuerhimmel über Duisburg. Das Thyssen-Gaskraftwerk war am frühen Abend explodiert. Wie durch ein Wunder wurde niemand ernstlich verletzt. Ausgetreten ist nur recht harmloses Gas; einige Häuser und Autos wurden durch umherfliegende Teile zum Teil erheblich beschädigt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine Katastrophe mit zum Glück gnädigem Ausgang. Die angerückten 150 Feuerwehrmämmer hatten gute Arbeit geleistet.

Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) konnte noch am späten Abend Entwarnung geben. Doch die am Tag darauf in den Tageszeitungen abgebildeten Trümmer zeigen: Die Natur kann mit ihren Kräften, die der Mensch gerne in seine Dienste stellt, gnadenlos walten.

Respekt, Respekt! Nichts ist illussionärer als die Verniedlichung der Natur durch überhebliche Techniker auf der einen und sentimentale Umweltschützer auf der anderen Seite. Die Natur ist nicht nur bedroht oder beliebig ausbeutbar, sondern kann auch kräftig zuschlagen. Das sollte man nie vergessen, es sei dann, man will die Götter zornig stimmen. Respekt zu haben ist eine konservative Tugend, die auch heute noch ihre Berechtigung hat, gerade auch der Natur gegenüber. Oder wie viele, womöglich weniger gnädig ausgehende Katastrophen brauchen wir noch?


 
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