© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001

 
Heerschau der Bürgerlichen
Berlin: 14. Kongreß der Europäischen Volkspartei (EVP) / Wenig Neues über den Post-Nizza-Prozeß
Alexander Barti

A m Donnerstag voriger Woche trafen sich rund 600 Delegierte der europäischen Bügerparteien – unter ihnen auch einige Staatschefs – im Berliner Nobelhotel Interconti. Vorrangig wollte man bei dem dreitägigenTreffen ein europäisches Einigungs- und Grundsatzprogramm diskutieren und aktualisieren.

Von dem bisherigen Ziel eines europäischen Bundesstaates ist man allerdigs abgerückt. Dieses Konzept, das erst kürzlich von französischer Seite eine klare Abfuhr bekommen hatte, soll entsprechend entschärft werden: der Resolutionsentwurf der CDU/CSU will nunmehr nur noch den "Verfassungsvertrag" für die Europäischen Union vollenden. Was damit genau gemeint sein soll, bleibt indes unklar, auch wenn mit erklärungen nicht gegeizt wird.

Ebenso beliebig bleibt der "Post-Nizza-Entschließungsantrag". Dort wird zunächst lobend erwähnt, daß die Regierungskonferenz die "formalen Fundamente für die Erweiterung" der EU gelegt habe. Allerdings sei die Entscheidungsfindung durch die Einführung einer dreifachen Mehrheit aus Staaten, Bevölkerung und Stimmengewichtung "noch komplizierter anstatt einfacher geworden". Eine sehr zurückhaltende Formulierung für das Desaster an der Côte d’Azur.

Zur Überwindung von Kompetenzwirrwarr, nationalen Egoismen und Profilierungsneurosen sollen die Arbeitsmethoden verändert werden: Vertreter der nationalen Parlamente sollen ebenso dabei sein wie Abgeordnete des Europäischen Parlaments und auswärtige Experten. Effektivität und Transparenz nehmen demnach proportional mit der Anzahl von Gremien und Interessengruppen zu. Eine interessante Erkenntnis der EVP. Und weiter: "Die Kompetenzverteilung [muß] zwischen der Europäischen Union und den nationalen Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Subsidiarität sowie zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament im Rahmen eines Verfassungsvertrages geklärt werden". Dazu sollen die Schweden unverzüglich einen "Anstoß für eine breite öffentliche Debatte" geben. Am Ende steht ein Appell an die Staats- und Regierungschefs, das "Potential für eine wirksamere Entscheidungsfindung" voll zu nutzen.

Der Entschließungsantrag zeigt vor allem, daß bei dem Kongreß das persönliche Kennenlernen der Abgeordneten im Vordergrund stand. Denn die EVP ist mit ihren 42 Parteien in keiner Weise ein homogener politischer Block. Dies wurde besonders deutlich durch den Auftritt von Silvio Berlusconi, dessen Forza-Italia erst 1994 trotz scharfer Proteste in die EVP aufgenommen wurde.

Die europäischen Bürgerlichen fürchten eine Zusammenarbeit Berlusconis mit dem Lega Nord-Chef Umberto Bossi, ein Schreckgespenst à la Jörg Haider. Schon die Österreichische Volkspartei (ÖVP) von Kanzler Wolfgang Schüssel mußte um ihre Mitgliedschaft in der EVP bangen, als sie mit den Freiheitlichen die Koalition beschloß. So blieb es nicht aus, daß sich vor dem Tagungshotel einige Dutzend Demonstranten eintrafen, um mit Transparenten gegen den "Faschisten" zu protestieren.

Einen Höhepunkt des Kongresses bildete die Rede von Altbundeskanzler Helmut Kohl, der es sichtlich genoß, schon am Beginn seiner Rede mit stehenden Ovationen bedacht zu werden. In seiner Rede, die er in Vertretung für die Unterzeichner der Maastrichter Verträge hielt, wies darauf hin, daß die Osterweiterung vor allem eine moralische Dimension habe. Gleichwohl bekannte er sich für das Prinzip "Qualität vor Quantität", warnte aber davor, zwischen großen und kleinen Staaten Unterschiede zu machen. Angela Merkel, die offenbar keine Berührungsängte vor Berlusconi hatte, forderte eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen EU, Nationalstaaten und Regionen. Auch Edmund Stoiber schlug in die gleiche Kerbe mit seinem Wunsch nach klaren Kompetenzbereichen.

Die Botschaft am Ende des Kongresses war klar: die Linken, die in Europa zur Zeit mehrheitlich das Sagen haben, können mit Europa nichts anfangen. Die "Internationalisten" von einst, so scheint es, können mit der europäischen Realität nichts anfangen. Die Visionen eines "Europäischen Ehrenbürgers" Kohl sind mit dem Generationswechsel auf der politischen Bühne abhanden gekommen, denn der Euro, der in einem knappen Jahr in den Taschen der EU Bürger klimpern wird, stammt noch aus der Zeit von Mitterrand, Kohl, Junckers & Co.


 
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