© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/01 19. Januar 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Erfolgsidee
Karl Heinzen

Welche historische Mission die sogenannte 68er Generation erfüllte, läßt sich an jenen ihrer Mitläufer ablesen, die es, wie zum Beispiel Joschka Fischer und Joscha Schmierer, weit gebracht haben, anstatt früh zu sterben oder in der Versenkung mehr oder minder prominenter Lehrberufe zu verschwinden. Es ist ihr gelungen, das Erbe der Halbstarken der fünfziger Jahre anzutreten und die kulturellen Schranken innerhalb der westlichen Hemisphäre durch die Besinnung auf die Handvoll von Beweggründen zu nivellieren, die die Menschen verbinden. Auf diese Weise wurde zugleich ein neuer Zugang zur Freude am Konsum gefunden, der einer zornigen Jugend die Gesichtswahrung erlaubte, ohne in eine Kritik des Eigentums zu münden.

Die 68er haben dem Übergang der Marktmacht von der Anbieter- auf die Verbraucherseite als erste kulturellen Ausdruck verliehen. Ohne sie wäre die Marketingwelt von heute so vielleicht nicht möglich gewesen. Sie haben den Gebrauchswert seiner Strenge beraubt und der freien Konsumentenentscheidung ihre Heiligkeit zurückgegeben, vor der jeder Verdacht einer Außensteuerung verstummen muß.

In Deutschland vollendeten die 68er die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges. Sie durchkreuzten damit die Absicht der bundesrepublikanischen Gründergeneration, das Bewahrenswerte des Nationalsozialismus in erklärter Gegenerschaft zu diesem zu bewahren und trotz Niederlage und demokratischer Restauration Deutschlands Wiederaufstieg auf den Weg zu bringen.

Es ist daher ungerecht, wenn man Fischer, Schmierer und ihresgleichen der Feigheit und des Opportunismus bezichtigt, weil sie heute ihr einstiges Engagement als den verzweifelten Versuch darstellen, durch planvolle Freizeitaktivitäten eine Wiederholung von Auschwitz zu verhindern. Ist diese Absicht etwa als weniger ehrenwert anzusehen, bloß weil es ihr an selbstzerstörerischer Konsequenz wie bei Ulrike Meinhof mangelte? Ist sie nicht vielmehr gerade deshalb von Erfolg gekrönt gewesen, weil rechtzeitig erkannt wurde, daß es ungleich effektiver ist, sich der Staatsgewalt zu bemächtigen, als praktische Kritik an ihrem Monopol zu üben?

Für die allermeisten 68er war der Konflikt mit dem Gesetz kein Selbstzweck. Sie mußten ihn suchen, um ein Medienereignis sein zu können. Ihre revolutionären Stunts sollten nicht überschüssige Energie abbauen helfen oder einen schon im frühen TV-Zeitalter latent vorhandenen Exhibitionismus befriedigen, sondern den belasteten Eltern einer lebenshungrigen bürgerlichen Jugend die Einsicht vermitteln, daß nicht bloß das historische Erbe vorzeitig ausbezahlt werden kann. Selten wurde es einer ganzen Generation so leicht gemacht: Die 68er haben die historische Gunst deutscher Schuld genutzt und ungezählte Karrieren auf dieser begründet.

Für so manchen wurde damit mehr erreicht, als es je durch eine pure Kapitalismuskritik möglich gewesen wäre. Die Betroffenen sollten ihre Freude darüber nicht unterdrücken müssen.


 
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