© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
Neulich im Internet
Nachtfalke
Erol Stern

Keine Kaskaden grellen Neonlichts, die sich gleißend auf dem nassen Asphalt spiegeln, keine Pfützen, in die ich zischend meine Kippe schnipse, keine Treffen mit zwielichtigen Informanten in düsteren Spelunken, und auch sonst erinnert nichts an die Stereotypen schlechter Hollywoodschinken. Als Online-Journalist erfüllt man eigentlich gar kein Klischee; dennoch, die Suche nach einer guten Story führt mich regelmäßig mehrfach um den Globus, teilweise auch in die abgelegeneren Winkel der Welt, in Nachtclubs, Messen, Zeitungsarchive und Firmen. Jedoch bin ich nie körperlich dort gewesen. Manchmal verschlägt es mich auch an einen Ort, wo außer mir noch niemand war: mein innerstes Selbst. Mal abgesehen von meiner dilettantischen Schülerzeitung, habe ich die klassische Journalistenarbeit auch nie kennengelernt, die Generationen nach mir sicher noch weniger, denn das Berufsbild verändert sich. Der rasante Fortschritt der Informationstechnologien zeigt stets neue Wege auf. Interviews werden zunehmend am Telefon geführt, der Briefverkehr verlagert sich auf die Medien Datenautobahn und eMail. Es gibt zwei Möglichkeiten, über Dinge, Orte, Menschen und Zeitgeschehen zu schreiben, denen man nie beigewohnt hat: sorgfältige Recherche, oder man versucht zu blenden. An dieser Stelle fällt mir die Geschichte eines Mannes ein, der – hinter Schwedischen Gardinen sitzend – den Menschen packende Erzählungen aus der großen, weiten Welt präsentierte: Karl May, geistiger Vater von Winnetou. War er der Vorreiter eines virtuellen Journalismus? Zumindest zeigt er, daß das, was ich tue, vielleicht nicht ganz so neu ist, sinniert Euer EROL STERN


 
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