© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/01 05. Januar 2001

 
Anwalt des Rechts
Ein neues Buch beschreibt das Wirken des ersten Berliner Kardinals Graf von Preysing
Lothar Groppe S.J.

Im Gegensatz zu seinem berühm ten Vetter, Clemens August Graf von Galen, dem "Löwen von Münster", ist der erste Berliner Kardinal weitgehend unbekannt. Da kommt das Werk von Wolfgang Knauft über Konrad von Preysing, das zu dessen 50. Todestag am 21. Dezember erschienen ist, wie gerufen. Das sorgfältig recherchierte, flüssig zu lesende, dabei gut belegte Buch bietet tiefen Einblick in das Leben des Berliner Bischofs, der sich in zwei Diktaturen als Anwalt des Rechts bewährte.

Der als viertes von elf Kindern uraltem bayerischen Adelsgeschlecht entstammende Konrad von Preysing wollte zunächst Diplomat werden. Nach glänzendem Studium und kurzer diplomatischer Tätigkeit entschloß er sich aber für den Priesterberuf und wurde 1912 geweiht. 20 Jahre später ernannte Pius XI. 1932 den inzwischen 52jährigen zum Bischof von Eichstätt. Schon drei Jahre später mußte er nach Berlin wechseln, obwohl er sich diesem Posten nicht gewachsen fühlte. Es war aber eine glückliche Fügung, daß er, den das bayerische Kultusministerium als "äußerst gerissenen Juristen" einstufte, in schwerer Zeit den Bischofsstuhl in der Reichshauptstadt bekleidete. Er war kein "Bischof zum Anfassen", ihm war das impulsive Temperament seines bischöflichen Vetters nicht gegeben. Aber in der Zeit, da sich das Verhältnis des NS-Regimes zur Kirche trotz Reichskonkordat ständig verschlechterte, war er der richtige Mann am richtigen Ort.

Kaum war er in Berlin ein wenig warm geworden, mußte er für 17 Monate zusätzlich zu seiner Aufgabe als Bischof von Berlin, die Administration des Bistums Meißen übernehmen. Dessen Bischof kam wegen angeblicher Devisenvergehen ins Gefängnis. Preysing trat als sachverständiger Zeuge für ihn in bischöflichem Ornat vor Gericht auf, und Bischof Legge kam wieder frei. In die Zeit der Administratur fielen die ersten Verhaftungen von Priestern wegen "Greuelpropaganda" und "staatsfeindlichen Äußerungen".

In der Deutschen Bischofskonferenz vertrat Preysing, der das NS-Regime wohl am gründlichsten durchschaut hatte, eine flexible "Vorwärtsverteidigung", während der greise Vorsitzende, Kardinal Bertram, glaubte, die Konflikte mit dem Regime am besten mittels einer "Eingabenpolitik" überwinden zu können. Als Hitler sich seine unbezweifelbaren Erfolge 1936 durch eine Volksabstimmung bestätigen lassen wollte – so kam die Saar nach Deutschland zurück, die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes führte nicht zu einem Eingreifen der Westmächte –, plädierte Preysing für Zurückhaltung, da nicht sicher sei, daß die Bischöfe für eine politische Stellungnahme ein Mandat hätten. Während mancher Mitbruder meinte, die zahlreichen Verstöße gegen das Konkordat seien nicht unbedingt Hitler persönlich, sondern vielmehr seinen Vasallen anzulasten, vertrat Preysing die Ansicht, daß sie Ergebnis der antichristlichen Grundhaltung der Nationalsozialisten seien.

Als sich die Verstöße gegen das Konkordat und die kirchenfeindlichen Maßnahmen des Regimes häuften, berief Kardinalstaatssekretär Pacelli, der spätere Papst Pius XII., die drei deutschen Kardinäle und die Bischöfe von Galen und von Preysing, zur Konsultation nach Rom. Es kam zum Weltrundschreiben "Mit brennender Sorge", in dem der Papst nicht nur zahlreiche Verstöße gegen das Konkordat, sondern vor allem die Rassenideologie, das Führungsprinzip und den Totalitarismus anprangerte. Das Echo im Ausland war gering.

Dafür verschärfte sich der Kirchenkampf im Inneren. Nunmehr schlug Preysing deutlich schärfere Töne an. Sein Hirtenbrief vom Advent 1937 stieß auch im Ausland auf lebhafte Zustimmung. In ihm heißt es: "Der gläubige Katholik steht in Deutschland unter Ausnahme-recht." Dem Grundsatz der Nazis: "Recht ist, was dem deutschen Volke nützt" setzte Preysing im Advent 1942 seinen Hirtenbrief über das Recht entgegen: "Wer immer Menschenantlitz trägt, hat Rechte, die ihm keine irdische Macht nehmen darf ... All die Urrechte, die der Mensch hat, das Recht auf Leben und Unversehrtheit, auf Freiheit, auf Eigentum, auf eine Ehe, deren Bestand nicht von staatlicher Willkür abhängt, können und dürfen auch dem nicht abgesprochen werden, der nicht unseres Blutes ist oder nicht unsere Sprache spricht."

Nicht nur Radio Vatikan, sondern auch der Londoner Rundfunk verbreiteten diesen Hirtenbrief. Selbst im US-Senat wurde er verlesen. Damit wurde Preysing neben Galen zu einem Repräsentanten des "anderen Deutschland". Schon 1934 hatte er das Berliner Hilfswerk zur Unterstützung der bedrängten Juden gegründet. Es stand den Verfolgten mit materiellem und juristischem Beistand tatkräftig zur Seite. Wenngleich Preysing die Menschen nicht so in den Bann zu schlagen vermochte wie sein Vetter in Münster, wußten doch seine Gläubigen ebenso wie die Nationalsozialisten, daß er ein unbeugsamer Gegner des Regimes war. Hitler bezeichnete ihn in einem Tischgespräch 1942 als "absolutes Rabenaas". Als Pius XII. am Heiligen Abend 1945 den Berliner Bischof neben Galen und dem Kölner Erzbischof Frings zum Kardinal erhob, schrieb der Tagesspiegel, Bischof Konrad habe sich "als ein weitblickender und konsequenter Verteidiger der religiösen Grundsätze und Grundrechte bewährt".

Nach der Kapitulation kehrte keine Ruhe in den kirchlichen Sektor ein. Nunmehr galt die Auseinandersetzung dem Terror der Sowjets. Bei Marschall Sokolowski setzte sich Preysing für die unschuldig Verhafteten ein, erhielt aber keine Antwort. Aber als er am 12. Januar 1950 vor der Presse erklärte: "Solange die Schmach der Konzentrationslager besteht, wird kein Friede und keine Einheit in unserem Volk herbeigeführt werden ...", ordneten die Sowjets zwei Tage später die Auflösung der KZs Sachsenhausen und Buchenwald an.

In einer Zeit, da die Grundsätze des Rechts erheblich ins Wanken geraten sind, ist es hilfreich, sich eines wichtigen Prinzips Preysings zu erinnern: Principiis obsta: Es gilt, den Anfängen (des Rechtsbruchs) zu widerstehen. Das Werk über den allzu früh verstorbenen Berliner Bischof bietet genügend Anschauungsmaterial.

 

Wolfgang Knauft: Konrad von Preysing – Anwalt des Rechts. Morus Verlag, Berlin 2000, 368 Seiten, geb., 48 Mark


 
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