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Hamburg als Test Kommentar
von Dieter SteinBei den Hamburger Bürgerschaftswahlen im September wollen mehr als 30
Parteien antreten. Das spricht für die Einsatzfreude und Begeisterung zahlreicher Bürger
für die Demokratie. Eine Partei zu gründen, Unterstützungsunterschriften zu sammeln,
beim Wahlleiter anzumelden, Flugblätter zu drucken, Plakate zu kleben und mit dem Gesicht
vor potentielle Wähler zu treten, kostet Mut und Überwindung. Honoriert - im materiellen
Sinne - wird dies nicht, wenn man von der unpersönlichen Wahlkampfrückerstattung und
möglichen Abgeordnetensitzen einmal absieht. Den alteingesessenen Parteien sind die
Miniparteien lästiger Sand im gutgeölten Getriebe der Macht, für die Medien sind es die
"Sonstigen" und mancher Bürger macht sich darüber lustig, daß es da ein paar
"Spinner" gibt, die meinen, man könne mit Wahlen noch etwas verändern. Sonst,
so meinen jene Zyniker, wären Wahlen doch längst verboten.
Daß es so viele Einzelinitiativen gibt, zeigt aber auch, wie groß die Defizite der
traditionellen Parteien sind. Daß viele Wähler bereits innerlich Abschied genommen haben
von den Parteien, die "man" seit Generationen wählte, beweist der in den
letzten Jahren enorm angestiegene Nichtwähler-Anteil. Nun aber beginnt sich der lange
Zeit undefinierte Unmut herauszukristallisieren. Wenn daraus zunächst eine schillernde
Zahl von Grüppchen und Parteien entsteht, so ist dem überhaupt nicht durch
pseudomilitärische Strategien zu begegnen: Nun müsse sich doch die Partei X mit jener
Gruppe Y dort mal eben zusammenschließen. Nach einer gewissen Marktlogik, die nicht immer
von der Hand zu weisen ist, werden sich schlicht diejenigen Persönlichkeiten und Parteien
durchsetzen, die neues Vertrauen bei Wählern gewinnen können. Auf die Nation und darauf,
daß es doch "um die Sache" gehe, haben sich bekanntlich immer diejenigen
besonders lautstark berufen, die am wenigsten Aussicht auf Erfolg ihrer Organisation
hatten.
Welchen Erfolg eine nationale - ob eher rechtskonservativ oder freiheitlich orientierte -
Partei haben kann, zeigt schon, mit welchem Schwung sozialdemokratische Strategen
versuchen, harte Themen zu besetzen: Da zieht der Kanzlerkandidat in spe, Gerhard
Schröder, mit Worten über kriminelle Ausländer, Drogendealer und Sexualstraftäter her,
die einen Politiker, beispielsweise der Republikaner, unverzüglich in den
Verfassungsschutzbericht katapultierten. So verlogen geht es zu. Fraglich ist nur, wer nun
auch die Politik realisiert, die der Wähler ganz offensichtlich fordert. Es hat sich
schon öfter gezeigt, daß sich populistisches Gerede à la Schröder am Ende für ganz
andere Parteien auszahlt.
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