© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Deutscher Bilderstrum
Kommentar
von Hanno Borchert

Während der Pfingsttage 1997 wird Coburg wieder vom farbigen Bild der fröhlichen Studenten des Coburger Convents (CC) geprägt sein. Nunmehr 129 Jahre CC stehen für eine lange Tradition und damit auch für eine enge Verbundenheit der Coburger Bürger mit "ihren Studenten". Der "Coburger Convent" ist mit rund 18.000 Mitgliedern der größte Dachverband schlagender akademischer Landsmannschaften und Turnerschaften an rund 50 Hochschulorten Deutschlands und Österreichs. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist der CC durch sein unbeugsames Bekenntnis zur Deutschen Einheit. Bis 1989 wurde diese jedes Jahr am Pfingstmontagabend in einer nächtlichen Mahnstunde bei Fackelschein und dem Singen des Deutschlandliedes eingefordert. Heute ist aus der Mahnstunde eine Feierstunde zur Deutschen Einheit geworden.

Doch kurz vor Beginn des traditionellen Pfingsttreffens des renommierten Akademikerverbandes ist ein dunkler Schatten von Haß und Gewalt auf die schöne fränkische Vestestadt gefallen. Von bisher noch nicht ermittelten Tätern wurde das "CC-Ehrenmal" im Hofgarten zerstört. In der Nacht vom 4. zum 5. Mai 1997 fand die Polizei die umgestürzte Skulptur in viele Stücke zerborsten auf dem Sockel liegend vor. Am Tatort wurde ein Stück PVC-Seil gefunden, so daß die Polizei davon ausgeht, daß die Täter mittels einer Trosse die nur locker in drei Teilen aufgesetzte Skulptur vom Sockel zogen. Das aus Würzburger Muschelkalk erbaute Ehrenmal, dem ein bedeutender kunsthistorischer Wert zukommt, wurde im Jahre 1925/26 vom Hamburger Bildhauer und Stadtbauplastiker Richard Kuöhl zu Ehren der im Ersten Weltkrieg Gefallenen des Verbandes geschaffen. Alljährlich wird am Fuße des Ehrenmals ein Kranz niedergelegt und eine Gedenkrede gehalten. Kuöhl entwarf unter anderem auch das imposante Denkmal des Infanterie Regiments 76 am Dammtorbahnhof in Hamburg und arbeitete eng mit dem weltbekannten Architekten Fritz Schumacher zusammen. Ebenso wie das Hamburger Denkmal wurde auch das Coburger Ehrenmal in den letzten Jahren schon mehrfach von Chaoten beschmiert. Das Schwert der Coburger Skulptur wurde schon einmal zerstört und mußte restauriert werden. Der neuerliche und bislang schwerste Anschlag muß als Höhepunkt gegen den CC angesehen werden. Es ist auch ein trauriger Höhepunkt der neudeutschen Bilderstürmerei, die Spiegelbild eines Kulturverfalls ist. Denkmäler und Grabsteine sind ein kulturelles Tabu, das offensichtlich nicht mehr beachtet wird. Wer das Denkmal angreift, wird auch vor den Menschen nicht halt machen.


 
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