© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/99 17. Dezember 1999


Julia Hill
Die auf dem Baum sitzt
von Gerhard Quast

Sie wolle erst wieder herunterkommen, wenn die Redwoods, die ältesten Bäume auf der Erde, vor dem Abholzen gesichert seien, hatte Julia Hill, Tochter eines Wanderpredigers aus Arkansas, vor genau zwei Jahren leichtfertig verlauten lassen. Das damals 23jährige Model hatte von den Baumbesetzungen radikaler Naturschützer im Norden Kaliforniens gehört und schloß sich spontan den Aktionen von "Earth First!" an.

Am 10. Dezember 1997 erfolgte die Besteigung des von ihr liebevoll "Luna" getauften, 60 Meter hohen Urwaldriesens. In luftiger Höhe richtete sie sich auf einer Plattform von zwei mal drei Metern "häuslich" ein; geschützt von einigen wenigen Zeltplanen, um den Widrigkeiten der Natur und den Hubschrauberattacken der Holzgesellschaft "Pacific Lumber" zu widerstehen und um auszuharren, bis die Holzfäller des kalifornischen Sägewerkes von den Mammutbäumen ablassen würden.

Das Traditionsunternehmen galt bis 1986 als mustergültiger Betrieb. Umweltschützer lobten deren Geschäftspolitik als vorbildlich – schließlich wurde nicht nur nachhaltige Waldwirtschaft betrieben, auch galten die gut tausendjährigen Redwoods als absolutes Tabu. Das änderte sich schlagartig mit der Übernahme durch den texanischen Maxxam-Konzern. Seither hinterlassen die Holzfäller kahle Landschaften, die Tierwelt ist bedroht, das Ökosystem gerät aus dem Gleichgewicht – und seither wehren sich radikale Umweltschützer gegen diesen Raubbau an der Natur.

Versorgt wird "Butterfly" von ihren Helfern am Boden, die mehrmals die Woche für Lebensmittel und Wasser sorgen und auch den kleinen Toiletteneimer entgegennehmen. Anfänglich wollte sie einige Wochen auf ihrem Baum verbringen, inzwischen sind zwei Jahre daraus geworden. Aber mit jedem Tag, den sie in ihrem Baumhaus aushält, wächst ihre Popularität. Längst ist die junge Frau zu einem Symbol für den weltweiten Kampf um den Erhalt des Planeten Erde geworden. Immer wieder pilgern Menschen zu "Luna", um sich mit der Einsiedlerin solidarisch zu zeigen. Mal stehen buddhistische Mönche am Fuße des Urwaldriesen, mal indianische Ureinwohner – und fast immer Journalisten, die Interviews führen wollen. "Wir müssen aufhören, unsere Wälder zu vergewaltigen und den allmächtigen Dollar über die Umwelt zu stellen", gibt sie per solarbetriebenes Handy bereitwillig Antwort. Und: "Wenn ich hier herunterkommen, werde ich wohl als erstes meine Hände und mein Gesicht in die Erde graben. Ich kann es wirklich kaum erwarten."

Vor wenigen Tagen nun hat sie mitgeteilt, daß sie über eine Beendigung der Besetzung verhandelt. Sollten die Gespräche dazu führen, daß der Schutz der Redwoods garantiert werde, wolle die Baumfrau sich unverzüglich an den Abstieg machen. Andernfalls werde sie ihr drittes Weihnachtsfest ohne festen Boden unter den Füßen feiern.


 
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