© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/99 10. Dezember 1999


Krisenmanagement
von Hans Brandlberger

Da Deutschland Mitglied der Nato ist und zudem auf zahllosen Gipfeltreffen kräftig mitgeholfen hat, dem Bündnis über das Ende des Kalten Krieges hinaus eine Perspektive zu geben, müssen die Amerikaner davon ausgehen, daß es eine gewisse Übereinstimmung in den sicherheitspolitischen Grundüberzeugungen gibt. Die deutlichen Worte, die US-Verteidigungsminister Cohen auf der Kommandeurstagung der Bundeswehr zur finanziellen Ausstattung der deutschen Streitkräfte gefunden hat, waren daher auch nicht arrogant, sondern hilflos. Welchen Beitrag zum Bündnis wollen und können denn die Deutschen in Zukunft noch leisten? Nicht nur in den USA kann man sich darauf keinen Reim mehr machen.

Die Schuld für diese Verunsicherung trifft die deutsche Politik, die – nicht erst seit dem Amtsantritt von Schröder, Fischer und Scharping – bewußt falsche Erwartungen weckt und dann nur noch hoffen kann, nie in eine Situation zu geraten, in der sie diesen auch gerecht werden müßte. Damit kann man aber keinesfalls die Führungsmacht der Nato und auf Dauer vermutlich nicht einmal die deutsche Öffentlichkeit täuschen.

Deutschland hat sich, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein, schon unter Kohl bereit erklärt, "mehr Verantwortung in der Welt" zu übernehmen. Man hat in der Nato die Erweiterung des Aufgabenspektrums nicht nur mit getragen, sondern mit betrieben, und man hat jede noch so haushaltspolitisch motivierte Strukturreform der Bundeswehr damit bemäntelt, daß sie die Streitkräfte eigentlich bloß fit für die neuen Herausforderungen machen wolle. Es blieb nicht bei Worten, doch die Taten haben die Bundeswehr schnell an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit geführt: Mehr Krisenmanagement als in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo ist unter den gegebenen Umständen nicht zu leisten.

Es ist kein Zeichen von Bündnistreue, wenn man die Partner im unklaren über die eigenen Möglichkeiten läßt. Welche dies sind, bestimmt sich letztlich gnadenlos durch den Etat, der zur Verfügung steht. Die neuen Aufgaben der Bundeswehr sind nicht so einleuchtend, daß mit ihnen die Bemühungen um eine Konsolidierung der Staatsfinanzen zu unterlaufen wären.

Der angekündigte Umbau der Bundeswehr sollte daher als Chance begriffen werden, auch Schein und Wirklichkeit wieder in Einklang zu bringen. Der Prestigeverlust gegenüber den Partnern in Nato und EU würde durch einen Gewinn an Glaubwürdigkeit kompensiert. Der deutschen Öffentlichkeit böten sich Anhaltspunkte für eine weiterhin realistische Einschätzung der Rolle Deutschlands in der Welt. Und nicht zuletzt sollten die an die Soldaten gestellten Anforderungen erfüllbar bleiben.


 
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