© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/99 03. Dezember 1999


Doppelpaß: Union verzichtet auf Klage gegen das Staatsbürgerschaftsrecht
CDU: "Lieber das kleinere Übel"
Alexander Schmidt

Als die rot-grüne Koalition im Frühjahr ihre umstrittene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf den Weg brachte, nannte der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Rupert Scholz, die Pläne der Bundesregierung "verfassungsrechtlich bedenklich" und hielt eine Klage vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe für möglich. Sind solche Pläne heute dahin?

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT sagte Thomas Herzog, Referent der CDU in der Arbeitsgruppe Innenpolitik, daß es bisher noch keinen Beschluß in diese Richtung gegeben habe. Die Entscheidung zu einer Klage könne jedoch jederzeit mit einer Mehrheit von einem Drittel aller Bundestagsabgeordneten getroffen werden. Natürlich müsse man, wenn die Union eine solche Klage anstrebe, damit rechnen, wieder mit dem Vorwurf des Rechtsextremismus konfrontiert zu werden, "aber das darf uns nicht stören, wenn es um die Sache geht", so Herzog. Vielmehr liegt die Angst der Partei in einer möglichen Entscheidung des Vefassungsgerichtes begründet, durch die das Staatsbürgerschaftsrecht vom Regen in die Traufe geführt würden. Es ist nämlich durchaus möglich, daß im Rahmen einer Überprüfung durch das Gericht festgestellt wird: Das Optionsmodell des vorläufigen Doppelpasses ist nicht verfassungskonform. Das hätte zur Folge, daß jeder Jugendliche, der den Paß auf Option bekommt, auch die deutsche Staatsangehörigkeit behalten muß. "Das wollen wir natürlich nicht", sagte Herzog, der in dem überarbeiteten Modell noch das kleinere Übel sieht. Der Widerstand habe schließlich Erfolg gehabt, denn die Bundesregierung sei von ihrem ehemaligen Konzept, die Doppelstaatlichkeit hinzunehmen, dahin geschwenkt, den doppelten Paß als Ausnahme von der Regel zu betrachten.

Das verbuchen auch die Liberalen als Erfolg, denn "das neue Gesetz entspricht nahezu 100 Prozent den Entwürfen der FDP", erklärte deren Generalsekretär Guido Westerwelle. Die Wut der Union richtet sich mehr gegen die Werbekampagne der Regierung, die eine Verschwendung von Steuergeldern sei. Millionen würden ausgegeben für eine sowohl verfassungsrechtlich wie integrationspolitisch bedenkliche Kampagne. "Wer sich nicht darum kümmert, den deutschen Paß zu erhalten, der soll ihn auch nicht bekommen", kommentierte Herzog das Buhlen um Integrationswillige.

Wie die Werbekampagne weiterlaufen wird, steht noch aus. Die FDP habe jedoch eine Prüfung auf Rechtmäßigkeit beim Bundesrechnungshof in Erwägung gezogen. Wenn die Regierung über den Doppelpaß aufs Glatteis geführt werden sollte, dann über ihren eigenen Elan und das Desinteresse vieler Einbürgerungskandidaten. Für den Fall, daß im September 2002 Deutschland wieder von einer konservativen Regierung geführt werde, solle das Integrationsmodell neu überdacht werden. Bei der Union habe es auch in der damaligen Diskussion Konzepte der "Einbürgerungszusicherung" gegeben, die dem Staat größere Möglichkeiten geben sollte, nicht integrationswilligen Ausländern den deutschen Paß vorzuenthalten. Auf dieser Basis, glaubt Herzog, werde auch bei einer für die Union erfolgreichen Neukonstituierung des Bundestages erneut beraten. Dann müßte die Union aber über eine absolute Mehrheit verfügen, denn bereits zwei Wochen nach der Verabschiedung des Gesetzes hob Westerwelle hervor, daß die FDP keine Änderungen an der Regelung zulasse.

Unabhängig von Spekulationen über die Zukunft: In der Zwischenzeit liegt noch ein großer Gestaltungsraum bei den einzelnen Bundesländern, die Verwaltungsvorschriften für die Einbürgerungen erst rechtlich einwandfrei formulieren müssen. Das kann auf der einen Seite dazu führen, daß mit der neuen Regelung in SPD-regierten Ländern extensiv verfahren wird. Andererseits dürfe man auch nicht vergessen, wirft Herzog ein, "daß die Mehrheit der Bundesländer seit den vergangenen Landtagswahlen unionsgeführt ist". Dadurch daß auch diese Länder eigene gesetzliche Regelungen im Einbürgerungsverfahren finden müssen, können hier noch letzte Feinkorrekturen stattfinden, die das Bild von Masseneinbürgerungen korrigieren helfen.


 
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