© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/99 03. Dezember 1999


Großkonzerne: Mannesmann im Fadenkreuz
Krieg des Kapitals
Bruno Bandulet

Zum Ende des Jahrhunderts scheint sich der globale Kapitalismus, dessen Regeln immer noch die Angelsachsen schreiben, selbst verschlingen zu wollen. Die Machtkämpfe werden härter, das Übernahmekarussell dreht sich immer schneller, es geht um Angriff und Verteidigung, um Geld und Macht wie in einem richtigen Krieg.

Erst schluckte Mannesmann – der alte Röhrenproduzent und neue Mobilfunkbetreiber – die britische Firma Orange. Jetzt greift die ebenfalls britische Vodafone nach der deutschen Perle Mannesmann. Schröder und Blair engagieren sich hinter den Kulissen, der Versuch einer feindlichen Übernahme wird zum Politikum zwischen Berlin und London.

In sich logisch ist Schröders Intervention nicht. Erstens kann man nicht die Integration Europas wollen, ihre Konsequenzen aber im Einzelfall ablehnen. Zweitens war absehbar, daß die Einführung des Euro (weil er tabula rasa macht) zu einer Amerikanisierung der Sitten und Gebräuche führen würde. Drittens sind feindliche Übernahmen zwar eine amerikanische Erfindung aus den achtziger Jahren, wurden inzwischen aber auch schon zwischen deutschen Firmen praktiziert. Und viertens liegt die Entscheidung über das Angebot von Vodafone ohnehin nicht bei den Politikern, sondern bei den 150.000 Aktionären von Mannesmann, die zu etwa 60 Prozent im Ausland sitzen.

Falls die Aktionäre zustimmen, erhalten sie für ihre zwar überteuerten, aber qualitativ guten Mannesmann-Aktien Papiere von Vodafone, die an der Börse kraß überbewertet sind und irgendwann nach der Fusion wahrscheinlich einbrechen würden. Der Tausch wäre wohl ein schlechtes Geschäft, aber das ist das Problem der Aktionäre.

Die überall im Westen eskalierenden Übernahmekämpfe sind aber auch Symptome einer Degeneration, einer Abkehr von der authentischen Marktwirtschaft Ludwig Erhards und Wilhelm Röpkes, eines sich verschärfenden Trends zur Machtkonzentration, eines Verlustes ethischer Grundlagen.

Es paßt alles zusammen: aus Bürgern wurden manipulierte Verbraucher, aus Arbeitnehmern ein bloßer Kostenfaktor, und anstelle von Unternehmern geben nun Manager und Funktionäre den Ton an, die selbst nicht haften und kaum noch wissen, was Marktwirtschaft wirklich bedeutet.

Wer in der Profitmaximierung den alleinigen Unternehmenszweck sieht, muß in logischer Konsequenz das Kartell, das Oligopol, das Monopol anstreben.

Dabei gibt es längst empirische Untersuchungen darüber, daß die Mehrzahl der Fusionen und Übernahmen entweder keinen Sinn hat oder nur Schaden anrichtet. Daß sie trotzdem in diesem Ausmaß vorangetrieben werden, dafür sind nicht zuletzt die Banken verantwortlich.

Auf die Banken, auf die PR-Berater und Rechtsanwälte (aber auch auf die Zeitungen in Form von Anzeigen) geht jedesmal ein warmer Geldregen nieder, wenn jemand übernommen wird oder auch nur übernommen werden soll.

Ob die Übernahme klappt, ist dabei gar nicht so wichtig. Selbst wenn Vodafone sich nicht durchsetzt, werden die Banken und alle möglichen Berater in ihrem Dunstkreis an diesem einen Fall eine runde Milliarde Dollar verdient haben! Nicht umsonst gelten "Mergers & Acquisitions" (Fusionen und Übernahmen) als lukrativstes Geschäftsfeld der Banken überhaupt. Nichts wurmt die Deutsche Bank so sehr wie die Tatsache, daß sie im M&A-Geschäft weit hinter Goldman Sachs abgeschlagen zurückliegt.

Ein Konzern wie Vodafone läßt sich bei solchen "hostile takeovers" nicht etwa von einer, sondern von einem Dutzend Banken beraten. Was leisten diese dafür? Wenig oder nichts. Vodafone zahlt die Banken, um sie zu neutralisieren. Sind sie erst einmal unter Vertrag, dann können sie nicht mehr für die Gegenseite arbeiten. Bei diesen Honoraren handelt es sich um eine Art von Schutzgeld.

Megafusionen sind ganz typisch für die Spätphase einer langfristigen Aktienhausse. Die jetzige begann schon 1982. Sie hat diejenigen, die Regie führen, unermeßlich reich gemacht – auf dem Papier zumindest. Und sie muß selbstverständlich so lange wie möglich am Leben gehalten werden. Dazu werden Firmenbilanzen in großem Maßstab frisiert und gefälscht, nicht nur in den USA, auch in Europa und Deutschland. Die Gewinne werden geschönt, damit die Aktienkurse weiter steigen können. Die Insider, die Analytiker der Banken wissen das selbstverständlich – es herrscht eine Verschwörung des Schweigens.

Zur Verlotterung der Sitten gehört es auch, daß kaum jemand noch daran denkt, für ein Unternehmen, das er haben möchte, bar zu zahlen. Vodafone hätte gar nicht das Geld, um Mannesmann zu kaufen. Es handelt sich hier immerhin um erheblich mehr als 200 Milliarden Mark, eine schwindelerregende Summe selbst nach heutigen Maßstäben. Macht aber nichts, man offeriert den Aktionären der Gegenseite statt Geld neues Papier – nämlich eigene Aktien. Die kann man selbst drucken lassen.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des renommierten Finanzdienstes "G&M".


 
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