© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/99 26. November 1999


Hans Haacke
Politischer Trümmerhaufen
von Theo Mittrup

Sein Name war bislang vor allem Kunstkennern ein Begriff. Mit der Zustimmung des Kunstbeirates des Deutschen Bundestages zu seinem Konzept zur Gestaltung des Reichstagsinnenhofes wird Hans Haacke (wieder) zu einem Künstler mit politischer Bedeutung.

Hans Christoph Carl Haacke wurde am 12. August 1936 in Köln geboren. Er studierte ab 1956 an der Staatlichen Werkakademie in Kassel und absolvierte hier 1960 sein Erstes Staatsexamen als Kunsterzieher. Mit Hilfe eines Stipendiums arbeitete Haacke danach für ein Jahr im Pariser "Atelier 17" von Stanley William Hayter. 1961 ging er dann mit einem Fullbright-Stipendium an die "Tyler School of Fine Arts" in Philadelphia/USA. 1963 kehrte Haacke noch einmal nach Köln zurück und wurde im Bereich der akademischen Lehre tätig. 1966/67 führten ihn Lehraufträge an die Hochschulen von Seattle, New Jersey und Philadelphia. Seit 1967 ist Haacke Professor of Art an der Cooper Union, New York.

Haacke gilt als international renommierter Vertreter der politischen Konzeptkunst. Begonnen hatte er in den sechziger Jahren mit naturwissenschaftlichen Experimenten, die er als Installationen in die Museen brachte. Anfang der siebziger Jahre versuchte Haacke das Publikum in seine Arbeiten mit einzubeziehen.

In Deutschland sorgte seine 1991 in München ausgestellte Arbeit "Die Fahne hoch" für erhebliches Aufsehen, mit der er eine Verbindung herzustellen versuchte zwischen der Inszenierung von Macht unter den Nationalsozialisten und angeblichen Ambitionen der deutschen Wirtschaft. In den neunziger Jahen prangerte Haacke deutsche Firmen an, die im Verdacht standen, Waffen für den Golfkrieg geliefert zu haben. Die Folgen von Haackes Aktionen waren fast immer einstweilige Verfügugen und Prozeßandrohungen. Aussteller, die Haacke zeigten, verdarben es sich mit den Sponsoren.

Auf der 45. Kunstbiennale von Venedig 1993, der ersten nach der deutschen Wiedervereinigung, gestaltete Haacke zusammen mit dem Koreaner Nam June Pail den deutschen Pavillion. Die Installation "Germania – Bodenlos" setzte sich zusammen aus zertrümmerten Mamorplatten auf dem Fußboden, einem Foto des Hitlerbesuchs im Pavillion von 1934, und einem riesigen Markstück mit der Jahreszahl der Wiedervereinigung. "Geniestück" (Süddeutsche Zeitung) und "Meisterstück" (Frankfurter Allgemeine) jubelten damals die Kritiker. Die internationale Jury der Biennale verlieh dem deutschen Pavillion den "Goldenen Löwen", weil der er "dem transnationalen Geist dieser Biennale" am besten entsprochen habe. Einzig Ernst Jünger blickte damals skeptisch auf Haackes Scherbenhaufen "Germania" und urteilte: "Aus Trümmern läßt sich sehr schwer etwas zusammenbauen."


 
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