© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/99 19. November 1999


Detlef Wenzlik: Napoleon und die Belagerung von Toulon 1793
Robespierres General
Kai Guleikoff

Noch ein Buch über Napoleon I. zu schreiben, wäre doch, wie Eulen nach Athen zu tragen. Eine allgemein verbreitete Meinung, wenn es sich um Literatur über die Weltstars der Geschichte handelt. Doch dem Autor Detlef Wenzlik ist es gelungen, auf 48 Seiten Großformat eine spannende Zeitreise in die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts zu unternehmen: die Welt der großen Französischen Revolution von 1789 und des damit untrennbar verbundenen Aufstiegs des Korsen Napoleon, der sich seit 1796 Bonaparte schrieb. Folgerichtig beginnt das Buch mit dem geschichtlichen Hintergrund im Frankreich des Ançien Regime. Ludwig XVI. herrschte in unumschränkter Königsherrschaft als oberster Kirchenherr und höchster Richter, aber auch als Repräsentant einer zerstörerischen Staatsverschuldung. Für die Tilgung der Zinsen mußten 63 Prozent der staatlichen Einnahmen abgeführt werden. Am Tag des Sturmes auf die Bastille erreichte der Brotpreis 80 Prozent des durchschnittlichen Familieneinkommens in Frankreich. Die soziale Explosion war dementsprechend fürchterlich und das Vorbild für den "revolutionären Terror" bis in unser Jahrhundert hinein.

Napoleon begann seinen Schritt in die Weltgeschichte als 24jähriger Hauptmann und Bataillonskommandeur beim Stab der Südarmee vor Toulon im September 1793. Der größte Kriegshafen Frankreichs befand sich in der Hand der Royalisten und der mit ihnen verbündeten Engländer und Spanier. Die revolutionäre Belagerungsarmee unter General Carteaux hatte den Befehl zur unverzüglichen Rückeroberung aus Paris erhalten. Napoleon trat an die Stelle des verwundeten Artilleriebefehlshabers Dommartins. Sein großer Gönner, der Volksvertreter Salicetti, hatte beim regierenden Wohlfahrtsausschuß diese Stellenbesetzung durchsetzen können, die eigentlich einem Oberst vorbehalten war. Napoleon galt nicht nur als fähiger Artillerieoffizier, sondern hatte auch den Ruf eines loyalen Revolutionärs. Er trug dem Zeitgeist entsprechend die Uniform nachlässig und dazu passend langes Haar. Damit sollte äußerlich der Unterschied zu dem strengen Reglement der früheren königlichen Armee gezeigt werden. Napoleon erklärte in seinem Nachlaß über diese Zeit pragmatisch: "Wäre ich zum Beginn des Bürgerkrieges bereits General gewesen, hätte ich es mit der Hofpartei gehalten. Als unbemittelter Unterleutnant mußte ich es mit der Revolution wagen." Das Wagnis gelang mit Bravour. Der Gnade der politischen Führung gewiß, ignorierte er die oft unsinnigen Befehle seines Oberbefehlshabers. Für andere hätte das den sicheren Tod bedeutet.

Am 19. Dezember 1793 fiel Toulon in die Hände der Revolution. Fouche schrieb darüber am 23. Dezember: "Wir können den Sieg nur auf eine Art feiern. Heute abend werden 213 Rebellen ins Jenseits befördert…" Napoleon war der "Held von Port-la-Montagne", wie Toulon nun genannt wurde. Der noch von Ludwig XVI. zum Hauptmann Beförderte war nun Robespierres jüngster Brigadegeneral.

 

Detlef Wenzlik: Napoleon und die Belagerung von Toulon 1793 (= Die napoleonischen Kriege, Band 5), Verlag Roger Zörb, Hamburg 1999, 48 Seiten, 40 Mark


 
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