© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/99 19. November 1999


Kunst im Reichstag: Viele Politiker hüllen sich in Schweigen
Öffentlichkeit ist nicht erwünscht
Theo Mittrup

Die "künstlerische Ausgestaltung des Lichthofs Nord" ist für die Medien bislang kaum ein Thema gewesen. Die wenigen Printmedien und Sender, die darüber berichteten, stellten das Kunstprojekt und die kaum vorhandene Diskussion darüber mehr als Kuriosum denn als ein staatspolitisches Präjudiz dar.

Die Suche nach Interview-Partnern unter den Mitgliedern des Kunstbeirates gestaltete sich unerwartet schwierig. Seltsamerweise fand nur ein Volksvertreter, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Ulrich Heinrich (siehe Interview Seite 3) den Mut, sein Abstimmungsverhalten im Kunstbeirat gegenüber der Öffentlichkeit zu vertreten. Einige Abgeordnete ließen über ihr Büro erkennen, daß sie "nicht in die Debatte eintreten möchten". Warum? Plagt sie das schlechte Gewissen oder haben sie Angst vor dem "Volkszorn"?

Auch der CDU-Abgeordnete Volker Kauder, der im Kunstbeirat als einziger gegen die Verwirklichung des Haacke-Konzeptes stimmte, war trotz mehrmaliger Anfragen nicht zu einer Stellungnahme zu bewegen.

Klar Stellung bezogen hat hingegen die CSU-Landesgruppe unter Führung ihres Parlamentarischen Geschäftsführers Peter Ramsauer. "Das hat nichts mit Kunst zu tun" ist seine unmißverständliche Aussage. Die anläßlich eines Besichtigungstermins der Landesgruppe im Reichstag vom Kunstkurator des Bundestages, Andreas Kaernbach, unternommenen Überzeugungsversuche blieben sodenn auch ohne Erfolg. Aus den Reihen der CSU-Abgeordneten war stattdessen zu hören, man sehe in dem Projekt einen Versuch der "politischen Agitation". Manche befürchten gar einen "Kulturkampf". Die CSU-Abgeordnete Renate Blank, die bei der entscheidenen Abstimmung im Kunstbeirat noch für das Projekt gestimmt hatte, äußert inzwischen, daß sie das Kunstwerk an sich zwar "witzig" finde, dessen politische Botschaft jedoch nicht teile.

Die "Überlegungen zum Kunstprojekt im Reichstagsgebäude – Nördlicher Lichthof" des Aktionskünstlers Hans Haacke sind auch "intern". Sie liegen lediglich den Mitgliedern des Kulturbeirates vor und sind "nicht zur Veröffentlichung vorgesehen". Auch hier fragt man sich nach den Gründen für diese Geheimniskrämerei. Die bisher einzigen in einem Artikel in der FAZ veröffentlichen Auszüge aus dem Papier lassen auf eine verfassungswidrige Einstellung des Künstlers schließen, nämlich dem Ziel der Eleminierung des deutsches Volkes "als Ausgangspunkt aller Staatsgewalt".

Schließlich dokumentiert das Papier eine gewisse Wirklichkeitsfremdheit Haackes,wenn er glaubt, daß alle Abgeordneten sich zu seinem Projekt und damit "zur Korrektur der nationalistischen exclusiven Parole" (Dem deutschen Volke, d.V.) bekennen werden. Weigert sich hingegen ein Teil der Abgeordneten, so wird das Kunstwerk zu einem Symbol der Spaltung des Bundestages, und das Projekt selbst nur Stückwerk.


 
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