© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/99 19. November 1999


Kolumne
Populismus
von Hans-Helmuth Knütter

Wer Latein gelernt hat, erinnert sich, daß "populus" auf deutsch "Volk" heißt. Ein "Populist" ist also jemand, der "volkstümlich" handelt oder auch "volksverbunden". Das kann doch in einer Demokratie nicht negativ sein. Da das aber doch so ist, fragt man sich, was denn das für Demokraten sind, die ihre eigenen Grundlagen verächtlich machen. Was Fritz über Franz sagt, kennzeichnet Fritz mehr als Franz. Die Ablehnung des "Populismus" setzt nicht die "Populisten", sondern jene herab, die als angebliche Demokraten dieses Schlagwort zur "Ausgrenzung" mißbrauchen. Das ist überhaupt eine Lieblingstätigkeit unserer Establishment-Demokraten. "Ausgrenzen" ist nur ein anderes Wort für "Volksverhetzung". Damit kommen wir dem Verständnis näher, was wohl mit "Populismus" gemeint ist. Ins Griechische übersetzt heißt "populus" "demos". Dem "Populisten" entspräche dann nicht der "Demokrat", sondern der "Demagoge". Das ist nach der Wortbedeutung ein Volksführer. Seit Metternichs Zeiten versteht man darunter aber einen "Volksverführer". Genau das meinen die Kritiker des "Populismus". Deshalb verstehen sie in der Nachfolge Metternichs den Begriff negativ. Aber was heißt schon "Volksverführer"? Eine Denunziations- und Diffamierungsvokabel des Establishments, einer Oligarchie, die vom Volk Gefolgschaft erwartet und am liebsten ein anderes hätte, wenn die Bürger nicht so wollen, wie sie sollen.

Unklares Reden und Denken bedingen einander. Das Establishment merkt: Die Verhältnisse kommen ins Rutschen. Alles ändert sich "irgendwie". Die Zukunft ist verhüllt, und die eigene Herrschaft erweist sich als brüchig. Totschlagworte wie "Faschisten" kann bald niemand mehr hören. Nur die dümmsten Linksextremisten haben das noch nicht kapiert. Also nimmt man die Zuflucht zu einem unklaren Diffamierungsschlagwort. Merke: "Denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt Wort zur rechten Zeit sich ein" (Goethe).

 

Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrt Politische Wissenschaft an der Universität Bonn.


 
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