© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/99 05. November 1999


Wehrmachtssausstellung: Ende einer Kampagne
Rückgrat brechen
Franz Uhle-Wettler

Das Münchner Institut für Zeitgeschichte gilt wohl allgemein als ein Hort sorgfältigster Vergangenheitsbewältigung. Nun hat sein Leiter, Horst Möller, dargelegt, die Verantwortlichen der "Wehrmachtsausstellung" hätten nicht wissenschaftlich gearbeitet, sondern "agitiert", die Ausstellung habe "gravierende" handwerkliche Mängel und segele unter "falscher" Flagge, die Konzeption sei "dilettantisch", Grundthesen seien wissenschaftlich "indiskutabel", und es sei "verantwortungslos", die Ausstellung im Ausland zu zeigen. Spätestens damit ist die Diskussion um die Ausstellung entschieden. Aber noch nicht beendet.

Die Ausstellung war wohl von Anfang an nur wichtig als Illustration des Klimas eines Staates, den der estnische Staatspräsident Meri als "Canossa-Republik" bezeichnet hat. Interessanter und langfristig wichtiger als eine Diskussion über die Ausstellung ist deshalb die Frage nach den Gründen für die begeisterte Zustimmung, die die Ausstellung bei der deutschen intellektuellen und politischen Klasse ausgelöst hat – und wohl weiterhin auslösen wird. Der Ausstellung wurde die Paulskirche, sozusagen der Gral der deutschen demokratischen Entwicklung, zur Verfügung gestellt, die Präsidentin des Verfassungsgerichts, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden und Spitzenpolitiker wie Jochen Vogel und Hans Koschnick unterstützten sie und viele, viele andere schweigen betroffen. Zahlreiche Stadt- und Länderparlamente haben die Ausstellung mit Steuergeldern, also Geldern ihrer Bürger mitfinanziert. Kritik an der Ausstellung wurde, sogar wenn sie von gemäßigten "Linken" wie Rüdiger Proske kam, weithin totgeschwiegen. Bald galt im "freiesten Staat der deutschen Geschichte" Kritik an der Ausstellung als Zeichen bedenklichster Gesinnung. Bezeichnend ist, daß die Kritik erst ein weiteres Echo fand, als ungarische und polnische Historiker die groben Fehler nachwiesen – also Leute, die man nicht einfach diffamieren und um Ruf sowie Arbeitsmöglichkeit bringen und denen man nicht, wie Rüdiger Proske, die Fenster einwerfen und das Auto anzünden konnte.

Der Skandal ist demnach nicht die Ausstellung – auch Heer hat das Recht, Fragwürdiges zu produzieren. Wichtig ist das Verhalten des deutschen Establishments und der Parteien. Spätestens seit der 68er-Revoltebelehren Politiker und Intellektuelle die Deutschen immer intensiver, daß sie ein verworfenes Volk gewesen sind. Sie sind lange einen verderblichen "Sonderweg" gegangen und haben sich so immer mehr von den "westlichen Werten" entfernt, bis sie in Auschwitz landeten. Deshalb mußten sie befreit und umerzogen werden. Die "Befreiung" der Deutschen von Schlesien, Ostpreußen, Danzig, Pommern und vielem anderen, die Vertreibung vieler Millionen und der schauerliche Tod von Hunderttausenden wurde und wird dabei kaum noch notiert. Zudem werden diese Untaten oft als Rache für deutsche Untaten hingestellt – so daß auch hieran letztlich die Deutschen schuld sind. Insgesamt wurde und wird damit die alliierte Kriegspropaganda schon des Ersten Weltkriegs aufgenommen und verinnerlicht – mitsamt ihrem Gemisch von Verdrehung, Wahrheit und Lüge. Besonders bemerkenswert: Diese Vergangenheitsbewältiger bewältigen stets die Vergangenheit anderer – nie die eigene, bis hin zu Herrn Heer, einem ehemaligen kommunistischen Funktionär.

Wir täuschen uns also, wenn wir glauben, es ginge bei der Ausstellung vorrangig um die Wehrmacht. Die Ausstellung ist nur ein Teil der Verdammung der gesamten deutschen Geschichte und Kultur. Der Trauerarbeit kann nicht genug sein – bis allen Deutschen das Rückgrat gebrochen ist und sie allem gefügig geworden sind.

Deshalb wird die "Geschichtsklitterung" (Horst Möller) weiterwirken. Es ist wenig wahrscheinlich, daß diejenigen, die sie in ihre Parlamente und Rathäuser geholt oder dazu geschwiegen haben, ihre eigene Haltung nun "kritisch hinterfragen" – wie sie anderen gern empfehlen. Zu viele persönliche Interessen und Prestigen sind involviert. Landauf, landab wird das Establishment weiterhin das "Einmischen" und "Zivilcourage" fordern. Allerdings: kaum einer der mahnenden Politiker und noch weniger einer der deutschen Historiker hat sich gegen die Wehrmachtsausstellung "eingemischt". Warum? Der Herausgeber des Focus, Helmut Markwort, schreibt: "Die Antwort geben Geschichtsprofessoren nur, wenn man verspricht, seinen Namen nicht zu nennen: Wer hat schon Lust, sich öffentlich fertig machen zu lassen." Er setzt hinzu: "Die Verfolger Andersdenkender haben es weit gebracht."

Vermutlich wird die Reaktion großer Teile des Establishments auf die Ausstellung das Vertrauen in die Integrität der deutschen Fachhistoriker und der deutschen Politiker weiter untergraben. Ob es so geschieht, wird auch von ihrer weiteren Reaktion auf die Ausstellung abhängen.

 

Dr. Franz Uhle-Wettler ist Militärhistoriker ("Höhe- und Wendepunkte deutscher Militärgeschichte", "Alfred von Tirpitz in seiner Zeit") und war Generalleutnant a.D. und bis 1987 Kommandeur der NATO-Verteidigungsakademie in Rom.


 
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