© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/99 05. November 1999


Kino: "Gnadenlos schön" von Michael Patrick Jann
Krieg der Schönheiten
Ellen Kositza

Mount Rose, ein sauberes Provinznest im Herzen Minnesotas: Hier ist die Welt noch in Ordnung, dürfte der konsevativ-pessimistische Beobachter der ansonsten so aus den Fugen geratenen Welt meinen. Hier grüßt die Jugend noch anständig auf der Straße, die Jugend folgt ihren Eltern, und Gottesdienst ist noch Ehrensache. Ein adretter Ort mit adretten Jungfrauen, unter denen alljährlich der "Mount Rose Miss Teen Princess America Contest" ausgelobt wird, ein Schönheitswettbewerb, wie er sich wohl kaum von provinziellen Veranstaltungen dieser Art in der ganzen Welt unterscheidet.

Nun ist bekannt, daß im ländlichen Nordamerika die Teilnahme an einer solchen Ausscheidung für eine junge Frau, für deren Leben und Karriere, ähnlich bedeutsam ist wie für einen Knaben ein gutes Abschneiden in der schulischen Basketball- oder Football-Mannschaft. Folglich fiebert jeder siebzehnjährige Backfisch in Mount Rose danach, jene "Miss Teen Princess America" zu werden.

Vor allen anderen Konkurrentinnen ist es Becky Leeman (Denise Richards), die den famosen Titel begehrt. Die kesse Becky beherrscht nicht nur die Meisterschaft, den Schein jugendlicher Unberührtheit mit der offensichtlichen Betonung ihres Sex-Appeals zu vereinigen, sie wird zudem protegiert vom gesamten Leeman-Klüngel – das ist die Familie, die in Mount Rose den Ton angibt. Allen voran das Leeman-Familienoberhaupt, Beckys Mutter Gladys (Kirstie Alley), die nebenbei den Wettbewerb leitet und die Juroren einsetzt. Tatsächlich gibt es jedoch kaum eine Siebzehnjährige in Mount Rose, deren herzallerliebster Wunsch es nicht wäre, Schönheitskönigin zu werden.

Da wäre zum Beispiel Loretta, die grundsätzlich immer gewinnt. Oder der dröge Pummel Tess, das umtriebige Hühnchen Lisa und die schöne, gute und zumindest leidlich intelligente Amber (Kirsten Dunst): Sie alle sind besessen davon, von einer offensichtlich psychopathischen Jury die möglichst günstigste Beurteilung von Körper, Geist und Talent zu erhalten.

Der Talent-Durchgang stellt dabei eine amerikanische Besonderheit dar: Während die deutschen Bewerberinnen um einschlägige Titel neben ihrer leiblichen Schönheit nur ihr intelektuelles Wissen durch Fragen von der Art "Kannst Du mir Deinen Lieblings-Designer nennen?" unter Beweis stellen müssen, haben die Möchtegern-Prinzeßchen in der Ami-Kleinstadt neben einem Tanz zum Lob und Preis der USA auch noch ihre je eigene Begabung zur Schau zu stellen. Das kann ein Steptanz oder eine Country-Nummer sein, aber auch ein Taubstummensprachentanz oder eine prächtige Tierstimmenimitation.

Doch kann die frohe Bemühung um die Noten der gottgleichen Juroren nicht darüber hinwegtäuschen, was der "Miss Teen Princess America"-Wettbewerb wirklich ist: Krieg – um Leben oder Tod. Ein Krieg, bei dem ausschließlich Frauen die Waffe führen.

Als einen "Schönheitskrieg zwischen friedlich grasenden Kühen und verwurstbaren Schweinen" beschreibt die Verleihfirma Concorde diesen gnadenlosen Verriß der spießigen, weil hohlen "proud-to-be-American"-Mentalität. Drehbuchautorin Lona Williams, einst selbst schönheitswettbewerbsgeiles Mädel vom Lande, will mit Ausnahme des fiktiven Filmhöhepunkts jedes Detail dieser tollkühnen Komödie selbst erlebt haben. Selbst wenn man das gelobte Land im Westen nur aus dem Fernsehen kennt und ansonsten vielleicht ein Dutzend US-amerikanischer Austauschschülerinnen leibhaftig ("You don’t have colour-tv in Germany, do you?") erlebt hat, glaubt man Williams gern.

Zu sagen, dieser Film nehme ironisch amerikanisches Landleben aufs Korn, wäre untertrieben – blanker Zynismus blitzt hier durch. Jede Spitze sitzt, und erst wenn die Bundesausscheidung der Jungschönheiten in den Kotzbrocken magenverstimmter Titelanwärterinnen untergeht, ahnt man kurzzeitig das Stilmittel "Übertreibung". "Gnadenlos schön", schon beim Fantasy-Filmfest 99 der Publikumsrenner, ist imstande, Kinowände durch Lachsalven erbeben zu lassen.


 
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