© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/99 05. November 1999


Kulturtagebuch: Wie sich die "Welt am Sonntag" Interviews zurechtbastelt
Ein Gespräch ist ein Gespräch ist ein …
Andreas M. Daniel

Am 3. Oktober veröffentlichte die Welt am Sonntag als Aufmacher auf der ersten Seite ihres Buchmagazins ein angebliches Gespräch mit Fritz Stern, dem diesjährigen Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels. Kleiner Schönheitsfehler am Rande: Ein solches "Gespräch" hat nie stattgefunden. Wie das Springer-Blatt jetzt auf Intervention von Fritz Stern in einer verschämten Notiz einräumte, hatte der Historiker die Fragen der Zeitung nur per Fax beantwortet. Wörtlich heißt es in der Welt am Sonntag weiter: "Und da seine Antworten sehr knapp ausfielen, ergänzten wir sie um drei seiner Aussagen, die er früher anderen gab."

Früher? Anderen? Nicht einmal in der Richtigstellung erfährt der Leser genaueres über die Art und Weise, in der sich die Redaktion der Welt am Sonntag dieses "Gespräch" zurechtgebastelt hat – weder, welche Aussagen offenbar ohne Wissen Sterns hinzugefügt wurden, noch wann und wem gegenüber er sie gemacht hat. Veröffentlicht wurde das "Gespräch" übrigens unter dem Titel "Wider das feige Schweigen". Ein Schelm, wer Doppeldeutiges dabei denkt.


 
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