© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/99 15. Oktober 1999


Rechtes Phantom
von Dieter Stein

Die Berlin-Wahl schien neue Erdrutschsiege zu verheißen. Kräftige Pendelschläge nach rechts und links wären nach den Jahren der Großen Koalition durchaus drin gewesen. Statt dessen relativ schwache Verluste bei Grünen und SPD (im Verhältnis zu den vorangegangenen Landtagswahlen) und mäßige Zugewinne für PDS und CDU. Viele fragen sich, warum es "rechts" nicht zu stärkeren Ergebnissen gekommen ist. Schließlich ist die deutsche Hauptstadt sozialer Hauptbrennpunkt. Sie ist das Labor der deutschen Einheit schlechthin, hier prallen die zwei Welten – multikultureller, abgewrackter Westen und aufholender deutscher Osten – aufeinander. Sowohl die rechtskonservativen Republikaner als auch die radikalste rechte Formation, die NPD, hatten die Stadt mit Plakaten überschwemmt. In den östlichen Bezirken addieren sich die beiden Parteien meist über fünf Prozent, in den West-Bezirken dominieren die Republikaner, bleiben aber bei 2,5 Prozent stehen.

Hauptgrund für das schwache Abschneiden ist der Medienausschluß, unter dem eine "rechte" Partei operiert. Rund zwei Monate vor der Wahl ließen die Berliner Zeitungen die Republikaner aus den Umfragegrafiken verschwinden und verbannten sie unter "Sonstige". Damit waren sie als demoskopisches Phänomen entsorgt. Demgegenüber wurde ein wochenlanger Rummel um die Frage veranstaltet, ob die chancenlose FDP nun wieder einzieht oder nicht. Die FDP, täglich in Presse, Funk und Fernsehen präsent und mit massiver Werbung aufgetreten, blieb mit 2,2 Prozent hinter den totgeschwiegenen Republikanern zurück.

Es ist zweifelhaft, ob es den Republikanern gelungen ist, überhaupt ihr näheres Sympathisantenfeld zu aktivieren. Bis wenige Wochen vor der Wahl war nicht nur den Medienvertretern schleierhaft, ob und wie die rechte Partei in den Wahlkampf von Berlin eingreifen wird, es war auch vielen Sympathisanten unklar, mit welchem Ernst der Wahlkampf geführt wird.

Der schlußendlich professionell geführte Plakat-Wahlkampf und das Einsetzen von Massen-Mailings konnte diese Effekte nicht kompensieren. Eine in die Isolation getriebene, schließlich die Isolation pflegende oder sogar kultivierende Partei kann das mögliche Stimmenreservoir nicht ausschöpfen. So irrten viele Protestwähler in Berlin herum zwischen erneuter Wahlenthaltung (wieder sank die Wahlbeteiligung um 2,7 Prozentpunkte) bis hin zur Wahl der PDS. Wollen die Republikaner nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, müssen sie sich selbstkritisch mit der Professionalität ihres Geschäfts auseinandersetzen.


 
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