© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/99 08. Oktober 1999


Kino: "Mein liebster Feind" von Werner Herzog
Ein Stück Filmgeschichte
Ellen Kositza

Klaus Kinski, gestorben am 23. November 1991 in Lagunita, Kalifornien, war das enfant terrible des deutschen Films. In fünf seiner Filme zwischen 1972 und 1987 arbeitete der megalomanische Schauspieler unter der Regie des Münchner Bauernsohnes Werner Herzog, "Nosferatu" und "Fitzcarraldo" vielleicht die bekanntesten darunter. Diese Zusammenarbeit dokumentiert Herzog nun, indem er die alten Drehplätze bereist und vergangene Dreharbeiten Revue passieren läßt.

Doch wurzelt die Beziehung zwischen Herzog und Kinski noch früher, nämlich als beide in Herzogs Kindheit kurzzeitig Zimmer an Zimmer wohnten. Die ersten Szenen der Dokumentation – ein Besuch in der alten gemeinsamen Wohnung – werden zum Geniestreich des Regisseurs. Wo früher mehrere Familien hausten, lebt man heute großräumig in anscheinend kinderloser Paarschaft fein bürgerlich in schniekem Altbauflair. Die leibhaftige Respektabilität, die Finger geduldig ineinander vor dem Bauch verknotet, hört sich das mittlerweile dort lebende Paar artig Herzogs Geschichte von Kinskis Rasen und Wüten in den Zimmern und Gängen an, die heute ein einziger Raum sind, in dem längst jegliche Gebärde undenkbar ist. Eine großartiges Bild, weitere folgen: Die den Zuschauer schier erschlagenden Monumentalaufnahmen der Anden in Herzogs genialem "Aguirre, der Zorn Gottes" von 1972, Kinski als der Zorn Gottes in Person, wie er während Drehpausen ohne Besinnung brüllt und tobt, oder ungesehene alte Aufnahmen von 1955, worin Kinski als Halbwüchsiger im Antikriegsfilm Kinder, Mütter und einen General Maximilian Schell als Renegaten niederschießen läßt.

Es dürfte ein Kunststück an sich sein, einen Film mit diesem notorisch jähzornigen, unbeherrschten Mann zu drehen, der wegen banalster Unstimmigkeiten Dutzende von Filmverträgen gebrochen hat, Kollegen beleidigte oder gar körperlich angriff.

Herzog befragt Eva Mattes, Claudia Cardinale und so manchen anderen, der mit Kinski zusammengearbeitet hat, im Vordergrund jedoch steht sein eigenes Resümee und das will hin und wieder zum schwelgerischen Räsonnement sich wenden: Da blickt ein Endfünfziger zurück auf seine jüngeren Jahre, auf seine Lebensmitte und findet da Klaus Kinski, färbt in das Leben des Dämons hinein sein eigenes, stilisiert die Beziehung zwischen Künstler und Regisseur zu einer Symbiose und wirkt dabei zumindest gelegentlich unprofessionell wichtigtuerisch. Zum Beispiel bei der Erwähnung von Kinskis Autobiographie: Herzog fühlt sich dazu bemüßigt, richtigzustellen, daß der Schauspieler darin zwar nur negativ über den Regisseur schreibe, dies aber bloß eine marketingstrategische Finte gewesen sei, weil... und so fort.

Man wünscht sich gelegentlich mehr über den Kinski jenseits von Herzogs Filmen, über sein Leben außerhalb des Sets, seine Frauen, sein Ende, und weniger über Herzogs eigenes Empfinden bei dieser oder jener Szene. Aber den Anspruch einer Kinski-Biographie erhebt der Film, der ja schließich schon im Titel mehr Herzog als Kinski personifiziert, gar nicht.

Und dennoch: Der Film lohnt sich, immer wieder stockt einem der Atem. Herzogs Haltung dem irren Egomanen gegenüber muß fast liebevoll gewesen sein, trotzdem, Klaus Kinski: ein schrecklicher, im Grunde unerträglicher Wahnsinniger.

So ist "Mein liebster Feind" – eine Koproduktion von BBC, ARTE, WDR und dem Bayerischen Rundfunk – ein eindrucksvolles Dokument Filmgeschichte.


 
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