© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/99 08. Oktober 1999


Klimas Einbruch: Erdrutschartige Verluste der SPÖ bei der Nationalratswahl
Ein großer Flop für die Sozialdemokratie
Anton Tögel

Das lange Gesicht des "in der Wolle gefärbten Sozialdemokraten" und ORF-Mitarbeiters Broukal am Wahltag verriet, Sekunden vor 17 Uhr, als er sich anschickte, das Ergebnis der ersten Hochrechnung zur Nationalratswahl 1999 bekanntzugeben bereits, wieviel es geschlagen hatte: Der Linken kam ein beträchtlicher Teil ihrer Anhänger – rund fünf Prozentpunkte – abhanden. Die Splittergruppe Heide Schmidts wurde gar aus dem Parlament eliminiert, woraus die Grünen überraschend wenig Nutzen zu ziehen vermochten.

Die erste bundesweite Wahl, die Viktor Klima zu schlagen hatte, geriet ihm auch schon zum Debakel. Hat er doch das schlechteste Nationalratswahlergebnis der SPÖ in der zweiten Republik zu verantworten. Einen derartigen Flop hatten die Genossen in der Löwelstraße nach den – wie nun deutlich wird - zu optimistischen Prognosen nicht erwartet. Am allerwenigsten wohl "Spin Doctor" Andreas Rudas, dessen Tage nach der im heurigen Jahr insgesamt schwachen Performanz seiner Partei, wohl gezählt sind. Baumeister Lugner`s verfrühte Faschingskampagne fand ebenfalls bedeutend weniger Zuspruch als erwartet: Mit rund einem Prozent der gültigen Stimmen verfehlt er deutlich den angestrebten Einzug ins Parlament. Der sich bereits bei den Landtagswahlen in Vorarlberg ankündigende Rechtstrend hat sich also bundespolitisch – zum Schrecken der veröffentlichten Meinung – voll bestätigt. Wie lauten nun die entscheidenden Fragen, die – nachdem sich die schlimmsten Befürchtungen der strukturkonservativen Kräfte bewahrheitet haben – in den nächsten Tagen zu stellen sind?

Ganz entscheidend wird das Verhalten der ÖVP sein, nachdem sie – immerhin nur sehr knapp – auf den dritten Platz in der Wählergunst zurückgefallen ist. Wird Vizekanzler Schüssel seine für diesen Fall gemachte Ankündigung wahrmachen und seine Partei in die Opposition führen? Oder ist nicht eher zu erwarten, daß das angesichts der zuletzt katastrophalen Umfragen durchaus respektable Ergebnis für die ÖVP ein Grund dafür sein könnte, nun doch wieder Regierungsverantwortung anzustreben? Und – falls der Gedanke an das harte Brot der Opposition für Schüssel und sein Team doch zu abschreckend sein sollte – wem wird er seine Christsozialen als Partner andienen? Hat er vor, die für die ÖVP langfristig zerstörerische und für die Republik zum totalen Stillstand führende Umarmung der Sozialisten erneut fortzusetzen, oder hat der die Courage, den dringend nötigen Wechsel zu wagen?Sieht man von der wahrscheinlichen Neuauflage einer SPÖ/ÖVP-Regierung (von einer "großen" Koalition könnte allerdings nicht mehr die Rede sein) ab, sind die Alternativen knapp. Eine Mehrheit links der Mitte gibt es nicht, die "Ampel" ist eine nicht einmal mehr akademisch denkbare Variante, Rot-Grün um vieles zu schwach. Die ersten Reaktionen von Spitzenpolitikern der SPÖ lassen keinen Spielraum im Hinblick auf ihr Verhältnis zur FPÖ.

Nach wie vor lehnen die Sozialisten jede Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen kategorisch ab, was Überlegungen in Richtung einer rot-blauen Kooperation überflüssig macht. Verbleibt die Bildung einer bürgerlichen Regierung – FPÖ und ÖVP bringen es auf zusammen komfortable 57 Prozent der Mandate im Parlament – als naheliegende Möglichkeit. Niemals seit 1968 gab es einen klareren Wählerauftrag zur Ausschaltung der Sozialisten aus der Regierung.

Und in der Tat hätte das Land dringenden Bedarf an einer tiefgreifenden politischen Veränderung. Schon aus "demokratiehygienischen" Gründen wäre es an der Zeit, die jahrzehntelange sozialistische Dauerregentschaft zu beenden. Zu ungeniert haben die Genossen die Republik zuletzt als ihr rechtmäßiges Eigentum betrachtet. Zu unverfroren haben sie behauptet, ohne ihre Beteiligung an der Regierung wäre die Republik am Ende. Aber nur allzu deutlich zeigte sich indessen, daß die für die Zukunft des Landes entscheidenden Fragen zur äußersten Sicherheit, zur Pensionsfinanzierung oder zur Privatisierung der Staatsindustrie, unter Beteiligung der SPÖ nicht zu lösen sind!


 
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