© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


CD: Pop
Bühnen-Berserker
Holger Stürenburg

Es gibt in der Musikszene Gruppen und Sänger, die in Konzerten wesentlich besser sind als im Studio. Gerade erfolgreiche Live-Künstler scheinen sich bei Studioaufnahmen oft eingeschränkt, gehemmt, fast eingesperrt zu fühlen. Ein großer Teil ihrer Energie, ihrer Kraft und ihres Charismas wird im Studio oft Kühle und klanglicher Sterilität geopfert. Auch der Brite Roger Chapman ist ein Musiker, der erst auf der Bühne richtig explodiert. Mit seiner neunköpfigen Band The Shortlist  hat er vor kurzem bei CBH/SPV ein neues Live-Doppel-Album veröffentlicht, das seine Qualitäten als Bühnen-Berserker dokumentiert. Zwar ist "In my own Time" schon der vierte Live-Mitschnitt in Chapmans 20jähriger Solo-Karriere – aber wie gesagt: "Live" ist er mit seiner mal gepreßten, mal pressenden, mal schneidenden Bluesstimme immer noch am besten. Da Roger Chapman in seinem solistischen Leben lediglich einen Top-10-Hit hatte ("Shadow on the Wall", 1983 aufgenommen mit Mike Oldfield), gibt es auf "In my own Time" auch kein lieblos heruntergerasseltes "Best of"-Programm, sondern "Chappo" greift in die große Schatzkiste seiner persönlichen Favoriten und zaubert insgesamt 12 Kabinettstückchen aus 30 Jahren Rockgeschichte hervor, wobei "Shadow on the Wall" den krönenden Abschluß bildet.

Vor allem Chapmans stilistisch vielfältiges Solo-Album "Walking the Cat" aus dem Jahre 1989 kommt auf "In my own Time"" ausführlich zum Zuge: "Son of a Red Moon", "Hands off" und "Kick it back" werden jedoch nicht einfach nachgespielt, sondern um aktuelle Soli, Breaks und Instrumentalpassagen erweitert.

Weitere Songs wie "Love is a hard Thing", der Ohrwurm "Hideaway" oder das hymnische "Stand up" zeigen den Roger Chapman der jüngeren Geschichte, während er mit "The Weaver’s Answer" bzw. "In my own Time" seiner frühen Schaffensphase mit der Rocklegende Family Ende der sechziger Jahre gedenkt. Höhepunkt der Doppel-CD ist die Neuaufnahme des Country/Crooner-Klassikers "16 Tons". Hier beweist Chapman, daß er alleine mit seiner kräftigen Stimme in der Lage ist, jedem noch so abgedudelten Allzeit-Hit eine Frischzellenkur zu verpassen.

Auch die hierzulande ewig unterschätzte britische New Wave-Band The Fixx kommt auf ihrem neuesten Opus zu zwei Dritteln "live" daher: Die 3-Fach-CD "Elemental/1011 Woodland" (CMM/SPV) beinhaltet neben dem aktuellen Studioauswurf "Elemental" zwei CDs mit acht bzw. neun Fixx-Klassikern, die im New Yorker "Woodland"-Studio in Konzertatmosphäre aufgenommen wurden. Auch The Fixx hatten eigentlich nur zwei Hits: "Driven Out" (1988), einst pathetisch und ein bißchen überfrachtet, kommt in der aktuellen Livefassung deutlich entschlackt und eingängiger daher, während der 82er-Radio-Hit "One Thing leads to another" in aktuellem Klanggewand nichts von seiner banalen Genialität eingebüßt hat. Nicht nur älter, sondern auch reifer sind die vier Herren um den charismatischen Frontmann Cy Curning geworden. Dies zeigt neben den insgesamt 17 Live-Liedern auch das neue Studiowerk. "Elemental" klingt dann am besten, wenn Cy Curning und seine Freunde eben jene Mischung aus britischem Gitarrenpop, New Wave und Funkrhythmen präsentieren, für die man The Fixx fast 20 Jahre lang geliebt hat. So freut man sich, von The Fixx zur Jahrtausendwende ein aktuelles Lebenszeichen zu vernehmen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen