© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


Wahlwerbung: Immer wieder verblüfft eine "Phantom-Partei" durch Überraschungssiege
Das Geheimnis der DVU-Wahlerfolge
Karl-Peter Gerigk / Dieter Stein

Man kann über die DVU sagen was man will. Man kann über den Chef des Unternehmens – Gerhard Frey – denken, was man will. Eines kann man nicht leugnen: Die DVU präsentiert einen effektiven und mit modernsten Methoden geführten Wahlkampf. Innerhalb von jeweils drei Wochen entfesselt sie, zentral von München aus dem Firmensitz des National-Zeitung-Verlegers Gerhard Frey gelenkt, ein Dauerfeuer der Propaganda. Und die trifft ins Schwarze.

Während sich andere Parteien monatelang in Gremien auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene die Köpfe heißreden, wie das Wahlprogramm aussehen soll, ob man diesen oder jenen Kandidaten auf Platz zwei oder drei hieven soll, ob nicht ein Sommerfest oder doch lieber eine Luftballonaktion der richtige Weg zum nächsten Wähler ist, entwirft bei Frey in München ein kleiner, überschaubarer Stab von Profis den Schlachtplan:

l Zuerst werden die Länder sondiert, in denen die DVU überhaupt nennenswerte Wahlchancen hat. Nach mehreren Schlappen konzentriert sich der Polit-Unternehmer jetzt entweder auf kleine Stadtstaaten im Westen (Bremen, Hamburg) oder auf die östlichen Bundesländer mit hoher Wechselwählerbereitschaft. Zudem hat sich herausgestellt, daß die DVU im Osten besonders gute Chancen unter der Konstellation einer SPD-Regierung mit schwacher CDU-Opposition hat. Die DVU ist dort das knackige Kontrastprogramm zu verbrauchten Altparteien.

l Dann legt Frey einen Wahlkampf-Etat fest, der sich gewaschen hat. Der Multi-Millionär (geschätztes Immobilienvermögen von einer halben Milliarde Mark) investiert oft mehr als SPD oder CDU zusammen! In Brandenburg sollen es 2,5 Millionen Mark gewesen sein. Frey denkt jedoch unternehmerisch: Jede Mark muß sich durch zurückfließende Spendengelder und Umsätze über seinen Verlag durch neugeworbene Kunden wieder amortisieren. Darum liegen auch der Wahlwerbung stets Prospekte des "Deutschen Buchdienstes" und der National-Zeitung bei.

l Zuletzt wird der Fächer aus Direktwerbung (persönliche Briefe, je nach Zielgruppe manchmal mehrere Dutzend vor dem Wahltag), Plakatwerbung mit Klebekolonnen und Großstellflächen sowie Flugzeugbanner eingesetzt.

Die von den Medien verhängte Quarantäne begünstigt Freys Strategie eines lautlosen Überraschungsangriffs. Insofern ist es auch überflüssig, eine traditionelle Parteienstruktur aufzubauen, die den effizienten unternehmerischen Apparat hemmen würde. Die Kandidaten werden von Frey persönlich ausgesucht und in kurzen Wahlparteitagen mit wenigen Dutzend Mitgliedern durchgepaukt.

Bisher ist Frey jedesmal unterschätzt worden, weil die übrigen Parteien, auch seine rechten Konkurrenten, einem Wahlkampfstil verhaftet sind, der teilweise rührend antiquiert ist. Infostände, an denen einsam ein paar Mitglieder Zeit verplempern, Vortragsveranstaltungen, zu denen nur zwei Dutzend Zuhörer kommen, Flugblätter, die nicht zugkräftig sind, und jede Menge Schnickschnack, der lediglich einige hundert Mitglieder bei Laune hält. Freys Gegenkonzept: Möglichst jeden potentiellen Wähler wenigstens einmal persönlich und direkt ansprechen. Mit einem Brief, der kürzesten nur denkbaren Verbindung. So erleben die Wähler die Phantom-Partei DVU außerordentlich konkret und intim. Zu Hause, in den eigenen vier Wänden mit persönlich adressierter Post, die leicht verständlich ist.

Mühsame Modernisierung des Wahlkampfes

Die großen Parteien haben unter Mühen ihren Wahlkampf in den letzten Jahren modernisiert. Am schwersten taten sich die, die sich sonst für fortschrittlich halten: die SPD. So führte sie erst jetzt den Posten eines Generalsekretärs ein, den man bei der Union und der FDP insebsondere zur Wahlkampfführung geschaffen hatte. Die SPD wurde nun wegen ihres Wahlkampfes 1998 von Kommunikationswissenschaftlern gelobt, ob der Professionalität der Vorgehensweise und wegen der guten Inszenierung des Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder. Die Methode war beinahe amerikanisch. Viel Glamour, viel Schein und viel Farbe auf wirksamen Bildern, versehen mit leicht eingängigen Botschaften wie "Wir wollen daß sie gesund werden – und nicht arm".

Kommunikation ist allumfassend und für Politiker und Parteien wahlentscheidend. Seit den zwanziger Jahren haben sich die modernen Formen der Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda entwickelt und werden stetig verfeinert und perfektioniert. Die stark überzeugende Wirkung der Mundpropaganda, in der modernen angloamerikanischen Literatur als "Face to Face Communication" bezeichnet, wurde ebenso entwickelt wie der als notwendig betrachtete unmittelbar scheinende Kontakt mit dem "Leader".

Die Methoden der DVU sind also nicht neu, sie werden aber effizient eingesetzt. So setzen auch andere Parteien auf Direktwerbung und das persönliche Anschreiben der Bürger. Niemand versteht sich derzeit aber so gerissen darauf wie Gerhard Frey von der DVU. Und er macht damit viele Schwächen wett, die diese Partei mangels Parteiorganisation besitzt.

In der Wahrnehmung des Bürgers wird der Wahlkampf der Deutschen Volksunion in drei Etappen vorgenommen und im wesentlichen auf die heiße Phase, also drei Wochen vor dem Wahltermin konzentriert.

Zuerst wird massiv plakatiert. Neben den üblichen A3-Plakaten mit der Aufschrift "Kriminelle Ausländer raus" sind es vor allem Großflächenplakate, immer mit dem akzeptierten "Schwarz-Rot-Gold" im Winkel, das seit den siebziger Jahren bis 1998 auch die CDU in ihren Plakaten verwendete, vor allem seit 1976 unter dem Vorsitzenden Helmut Kohl. Die Assoziation "offizielles Deutschland" und DVU ist hier unterlegt. Die Plakate werden vor allem an Bushaltestellen, Bahnhöfen und an Straßenkreuzungen aufgestellt.

Persönliche Anschreiben als kürzester Weg

Erst zwei Wochen vor der Wahl werden die Kandidaten bekanntgegeben. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu den großen Volksparteien. Diese sind in ihrem Wahlkampf deutlich kandidatenorientierter. Der personalisierte Wahlkampf von CDU und SPD erinnert auch bei den Landtagswahlen an das Vorbild des amerikanischen Präsidentenwahlkampfes – mit der Konzentration auf Stolpe und Schönbohm in Brandenburg sowie Müller und Klimmt im Saarland. Die Person wird gewählt – weniger das Programm. Wer kennt bei der DVU schon die Kandidaten? Über die traditionellen Massenmedien, Fernsehen, Hörfunk und Tageszeitung werden sie nicht publik. Hier verweigert sich die politisch korrekte Berichterstattung.

Die Themen, die auch in den kurz gehaltenen Programmen formuliert werden, sind dabei griffig formuliert und leicht verständlich. Das DVU-Wahlprogramm für Brandenburg ist ein Faltblatt von vier Seiten, mit den Schlagworten: "Deutsches Geld für deutsche Aufgaben" oder "Deutsche zuerst" oder "Wir sind das Volk". Hierbei werden nicht nur akzeptierte Slogans in einen "nationalen" Kontext gestellt, sondern mit der Angst vor Arbeitslosigkeit, Identitäts- und Freiheitsverlust und Armut gespielt.

Das Wahlprogramm der DVU liegt in einem Brief an alle Haushalte, eine Woche vor der Wahl (Etappe drei). Die Werbung spricht hier von einer "Direct-Mailing Aktion" – sehr teuer und sehr wirksam. Der Brief ist aufgemacht wie eine offizielle Wahlbenachrichtigung. "Wahlbüro Potsdam" – steht sogar darauf. Auf dem roten Kuvert steht auch: "Persönliche Zustellung", was die Betroffenheit des Adressaten erhöht, und "An die Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg: Wichtige Unterlagen zur Wahl zum Landtag". Alles in allem könnte der Empfänger denken, es ist wohl der Wahlschein.

Aber wenn er den Brief öffnet, steht nicht drin, wo und wann er wählen kann, sondern was und wen. Auf dem Briefkopf werden die Kandidaten vorgestellt. In den Formulierungen wird geschickt mit der Furcht vor Isolation und der Angst gespielt, in der Minderheit zu sein: "Immer mehr Brandenburger sind der Meinung, daß die arroganten Polit-Bosse einen saftigen Denkzettel verdient haben."

Es wird dazu aufgerufen, seinem Ärger Luft zu machen, da die DVU die Partei sei, die "am kräftigsten Wirbel macht". Das Wahlkreuz solle zum Protestkreuz werden. Mit einfachen, überschaubaren Grafiken wird gezeigt, daß Kriminalität gerade bei Ausländern zu finden ist und daß die Arbeitslosenzahl seit 1992 um 55 Prozent gestiegen ist. Im beigelegten und in aufrüttelndem Rot gehaltenen Flugblatt werden Argumente geliefert, wie die eben sachlich dargestellten Probleme gelöst werden können. Mit einer Karte kann man dann sofort seine Meinung differenzierter sagen als nur durch ein Wahlkreuz. Die Fragen, allesamt suggestiv und in der unterlegten Antwort so formuliert, daß sie prinzipiell für jeden gewissenhaften Bürger, wenn sie einmal beantwortet sind, auch die eigene Meinung widerspiegeln. Man kann auch sofort die National-Zeitung abonnieren. Alles kompakt in einem Umschlag, kurz vor der Wahl.

Kommunikationsfachleute sprechen davon, daß die "interpersonale Kommunikation in sozialen Einheiten nach drei bis fünf Tagen handlungsrelevant wird". Mit anderen Worten: Wird solch ein Brief nach dem Erhalt gründlich gelesen und "klönt" man darüber mit der Familie und mitNachbarn, dann ist die Wirkung dieser Mund-zu-Mund-Propaganda berechenbar, zumindest in Regionen mit geringer Millieu-Bindung und einem hohen Anteil von Wechselwählern, die sich von der aktuellen Politik im Stich gelassen fühlen.

Die Methoden der DVU sind professioneller, auch dreister und perfider als die anderer Rechtsparteien – so der Republikaner. Unter anderem darauf ist auch deren unterschiedliches Abschneiden bei Wahlen zurückzuführen. Eine Analyse der Wahlkampftechnik erfolgreicher Parteien kann nicht schaden.


 
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